Mittwoch, 6. Dezember 2017

Mattersburg im Herbst


Allgemeine Spielanlage


Der SV Mattersburg ist eine der am direktesten spielenden Mannschaften der Liga. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass es ligaweit das Team ist, das am wenigsten den Ball hat (der durchschnittliche Ballbesitz beträgt lediglich 40,6%). Auf geplanten, sauberen Spielaufbau wird offensichtlich wenig Wert gelegt, man spielt mit Abstand die wenigsten Pässe und weist von allen Teams die niedrigste Passquote auf (67,10%). Wenig überraschend spielen die Burgenländer jeden vierten Ball lang, was wiederum der höchste Anteil aller Teams ist. Nach Ballgewinn setzt man also auf direktes Spiel nach vorne, von wo der Ball dann vergleichsweise häufig in den Strafraum geflankt wird; lediglich der WAC (6,2) flankte pro einhundert Pässen den Ball häufiger als die Mattersburger (5,15). Unterstrichen wird der Umschaltfokus durch die Tatsache, dass lediglich die Admira und der WAC einen höheren Anteil (32 bzw. 25%) ihrer Tore aus Kontern erzielten als die Burgenländer (22%). 

Neben dem Fokus auf das Direktspiel fällt die Aktivität der Mattersburger im Pressing auf. Nach den Salzburgern, den Paten des Spiels gegen den Ball, sind die Burgenländer die am intensivsten gegen den Ball arbeitende Mannschaft der Liga (1,49 Defensivaktionen pro Minute gegnerischen Ballbesitzes). Vor allem die Anzahl abgefangener Bälle ist herausragend; Mattersburg führte diese Wertung mit 515 deutlich an. Der Abstand zum zweitbesten Team ist so groß, dass er pro Spiel beinahe acht abgefangene Bälle beträgt. Unter den zehn Spielern mit den meisten abgefangenen Bällen pro 90 Einsatzminuten sind mit Jano, Rath, Ortiz, Malic und Erhardt gleich fünf Mattersburger; interessanterweise fünf zentrale Spieler, was ein Hinweis auf den Zentrumsfokus im Spiel gegen den Ball ist.

Graphik: Fouls und gelbe Karten im Vergleich zum Ligaschnitt

Dazu kommt, dass sich Mattersburg oft auch unlauterer Mittel bedient, um das gegnerische Spiel zu stören. Sowohl bei den Fouls als auch bei den gelben Karten ist die Mannschaft überdurchschnittlich und diejenige mit den zweithöchsten Werten der Liga (siehe Graphik). Zwar kann dadurch häufig der gegnerische Spielaufbau unterbunden werden, allerdings birgt diese Strategie angesichts der Schwäche der Mattersburger bei gegnerischen Standards durchaus auch Gefahren.

Grundformationen

Im Verlauf der bisherigen Saison setzte Trainer Baumgartner zwei verschiedene Grundformationen ein. Während zu Saisonbeginn und seit Mitte Oktober auf das aus der Vorsaison gewohnte System mit Doppelsechs vertraut wurde, setzte man zwischendurch, vor allem auswärts oder zuhause gegen starke Gegner, auf die Variante mit drei zentralen Mittelfeldspielern. Die Viererkette ist ebenso wie der einzelne zentrale Stürmer in der bisherigen Saison Standard gewesen. 

Im Spiel mit dem Ball ergeben sich kaum Unterschiede zwischen den beiden Systemen, man spielte in der Formation mit Dreiermittelfeld zwar im Schnitt etwas mehr Pässe und einen höheren Anteil davon lang, die Unterschiede in der Passgenauigkeit und der Lokalisierung der Pässe (circa jeder dritte jeweils im Angriffsdrittel) sind jedoch zu vernachlässigen. Mit Doppelsechs hat man im Schnitt etwas mehr vom Ball, was jedoch auch der höheren Qualität der Gegner in den Spielen mit Dreiermittelfeld geschuldet sein kann.

Graphik: Unterschiedliche Grundformationen: Je größer der Name, desto mehr Pässe pro 90 Einsatzminuten. Je größer derPunkt, desto höher die Passquote.

Auch in der Intensität des Pressings und die Umschaltgeschwindigkeit nach Ballgewinn sind lediglich marginal, im 4-3-3 spielte man pro Schuss zwei Pässe mehr. Die vorherrschende Idee bei der Systemwahl war offensichtlich, mit einem verdichteten Zentrum im 4-3-3 etwas tiefer zu pressen, ohne die allgemeine Spielanlage allzu sehr verändern zu müssen. 

Von den Spielen, in denen auf ein Dreiermittelfeld gesetzt wurde, konnte jedoch keines gewonnen werden konnte und die Mannschaft holte im Schnitt weniger als halb so viele Punkte. Man konnte auch weniger Chancen herausspielen konnte und ließ mehr zu; mit Doppelsechs hat man eine leicht positive Differenz der Expected Goals (+1,65), mit Dreiermittelfeld eine negative (-0,81). Der Formationswechsel hat also nicht wie gewünscht funktioniert, deshalb wahrscheinlich kam es zur Rückkehr in die Stammformation. Ein weiteres Einsetzen der Alternativformation zumindest in den Spielen vor der Winterpause erscheint unrealistisch. 

Positionen

Im Tor bestritt Stammtorhüter Kuster bislang alle Partien und ist gesetzt. Von allen Stammtorhütern der Liga weist er in der bisherigen Saison die niedrigste Fangquote auf (60% aller Schüsse aufs Tor). Dies liegt mitnichten daran, dass seine Vorderleute zu viele Großchancen zuließen. Die Chancenqualität der Gegner hätte im Schnitt für etwa 22 Gegentore gereicht, erhalten hat er aber 30 (ohne Eigentore) Diese Differenz ist bei keinem Torhüter der Liga größer, weder absolut noch in Bezug auf die Einsatzzeit gerechnet. Probleme hat er zudem bei der Strafraumbeherrschung, er fängt lediglich 0,7 Flanken pro 90 Einsatzminuten, was 3,6% der gegnerischen Flanken entspricht, der wiederum niedrigste Wert aller Torhüter der Liga. Auf jeden Fall ist er ein möglicher Schwachpunkt.

Die Stamminnenverteidigung bilden Mahrer und Malic, erster Ersatzmann ist César Ortiz. Die Aufgaben der Spieler auf dieser Position sind eher klassisch verteilt. Zweikämpfe und vor allem Luftduelle sollen gewonnen werden, vor allem bei Letzteren sind sie Ligaspitze (72%), was die Verwundbarkeit bei Flanken relativiert. Im Spielaufbau sind sie jedoch wenig eingebunden, 34 Pässe pro 90 Einsatzminuten ist der niedrigste Wert aller Ligateams. Jeder dritte Pass davon wird lang gespielt, was der höchste Anteil aller Teams ist und sich mit dem direkten Umschaltspiel nach Ballgewinn deckt. Der passsichere Ortiz ist lediglich Option Nummer drei.

Auf den Außenverteidigerpositionen spielen üblicherweise Höller rechts und Rath links, wobei letzterer auch im Abwehrzentrum zum Einsatz kam und ersterer vor allem zu Beginn der Saison häufig eine Linie weiter vorne. Diese unterschiedlichen Nebenpositionen wirken sich auch auf ihre Interpretation der Außenverteidigerposition aus. Höller auf rechts ist weit mehr in den Spielaufbau eingebunden und schaltet sich viel häufiger in das Offensivspiel ein als Rath auf der linken Seite (siehe Vergleichstabelle). Im ligaweiten Vergleich ist er jedoch nur ein durchschnittlich offensiver Außenverteidiger. Florian Hart, der zu Beginn der bisherigen Saison auf beiden Außenpositionen in der Viererkette zum Einsatz kam, seit September aber keine Minute mehr spielte, reiht sich was seine Leistungsdaten betrifft zwischen seinen beiden Kollegen ein.


Spieler
Pässe
Flanken
Torschussvorlagen

Schüsse
Alois Höller
33,78
2,55
0,92
0,41
Lukas Rath
22,59
0,93
0,19
0,19
Alle Werte normiert auf 90 Einsatzminuten.

Im zentralen Mittelfeld sind unabhängig von der Grundformation Jano und Erhardt gesetzt, erst in den letzten Spielen konnte sich Seidl in die Startformation spielen. Beim Einsatz des Dreiermittelfelds war meist Sittsam die erste Wahl. Wenn Jano neben Erhardt spielte, zeigte sich eine merkwürdige Asymmetrie. Der Spanier ist sowohl in den kreativen wie auch in den kämpferischen Disziplinen weit aktiver als sein Kollege. Er spielt pro 90 Einsatzminuten die zweitmeisten Pässe aller Feldspieler (37,4; Ortiz 43,2) und weist die zweitbeste Passquote auf (75,9%; Hart 77,7%). Gleichzeitig arbeitet er extrem aggressiv gegen den Ball; sowohl die 83 abgefangenen Bälle als auch die 67 Tackles sind ligaweit Spitzenwerte für einen zentralen Mittelfeldspieler. Sowohl am Boden als auch in der Luft bestreitet er zudem mehr Zweikämpfe als Erhardt und gewinnt anteilsmäßig mehr als dieser.
Wenig verwunderlich, dass angesichts der abfallenden Werte Erhardts zunehmend Seidl in die Startelf drängt. Dieser weist im Gegensatz zu Erhardt zudem offensiv weit mehr Gefährlichkeit auf; er war in weit weniger Einsatzzeit an mehr Torschüssen beteiligt (8) als Erhardt (7). Auffallend ist dabei vor allem seine Qualität bei Standardsituation (siehe Graphik). In Zukunft ist also zu erwarten, dass die Stammbesetzung in der Mittelfeldzentrale eher aus Jano und Seidl bestehen wird, sollte die Grundformation mit Doppelsechs beibehalten werden.


Graphik: Torschussvorlagen von Manuel Seidl im Auswärtsspiel gegen Salzburg

Für die Positionen in der offensiven Dreierreihe beziehungsweise für die Flügel im 4-3-3 verfügt Coach Baumgartner über eine Reihe an Alternativen, die er auch regelmäßig nützt. Dazu setzt er dort auch Spieler wie Pink, Prevljak und Höller ein, die auch auf anderen Positionen spielen. Wer dort auch spielt, ist jedenfalls sehr wenig ins Spiel eingebunden; die Offensivspieler spielen nirgends so wenige Pässe pro Einsatzzeit wie bei Mattersburg. Leidglich der meist zentral hinter der Solospitze eingesetzte Perlak kommt mit knapp 30 Pässen pro 90 Einsatzminuten auf einen überdurchschnittlichen Wert; sonst ist die Aufgabe der Spieler im Offensivbereich hauptsächlich, den Ball in die Box zu bringen (nur beim WAC und bei Sturm flanken diese Spieler mehr). Auch selbst zum Abschluss zu kommen, ist kaum ihre Aufgabe (nur bei den Wolfsbergern geben die Spieler auf diesen Positionen weniger Schüsse pro 90 Minuten ab).

So verwundert es kaum, dass die Spieler im Offensivbereich vergleichbar wenig Torgefahr ausstrahlen; von den acht Spielern mit der höchsten xG-Beteiligung im Kader sind nur zwei, die bisher ausschließlich auf dieser Position zum Einsatz kamen.

 Graphik: xG-Beteiligung, Top 8

Wie auch eine Linie weiter hinten stehen auch auf der zentralen Stürmerposition unterschiedliche Spielertypen zur Verfügung, die gemäß Matchplan und spezifischen Anforderungen einer Partie eingesetzt werden können. Insgesamt ist die Rolle der Stürmer auf die klassischen Funktionen beschränkt, sie spielen nur durchschnittlich viel mit und beteiligen sich auch nicht besonders intensiv am Pressing. Interessanterweise ist der eher nicht als mitspielende Stefan Maierhofer derjenige, der sich am meisten am Spiel beteiligt; er spielt pro 90 Einsatzminuten sogar doppelt so viele Pässe wie Smail Prevljak. Er leistet dementsprechend auch die mit Abstand meisten Torschussvorlagen. Bei den eigenen Abschlüssen gibt es hingegen zwischen Pink, Maierhofer und Prevljak keine signifikanten Unterschiede.

Standards

Die letzte Graphik dieses Beitrags zeigt die erzielten (schwarz) und erhaltenen (rot) Tore pro Mannschaft in der laufenden Saison. Der SV Mattersburg ist dabei in beiden Kategorien ganz vorne dabei, wie auch der LASK und Sturm Graz. Das Paradox, dass ein Team sowohl gut als auch schwach bei  Standardsituationen sein kann, wäre sicher eine detailliertere Untersuchung wert.

Graphik: Tore und Gegentore aus Standardsituationen

Fazit

Der SV Mattersburg wird höchstwahrscheinlich nicht absteigen. Die xG-Differenz (ohne Strafstöße) des Teams ist positiv, man liegt damit auf Rang fünf in dieser Wertung. Dazu hat man sich bereits einen relativ beruhigenden Vorsprung auf den letzten Tabellenplatz erarbeitet. Seit Gerald Baumgartner das Team übernommen hat, weist es einige Merkmale auf, die es von einem Durchschnittsteam der Liga unterscheiden und auch zu einer Bereicherung der Liga machen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass es durchaus Aspekte gibt, die zu verbessern sind; dazu zählen das Spiel mit dem Ball, das Torwartspiel und die Schwäche bei gegnerischen Standards.