Donnerstag, 7. Juni 2012

Analyse der EURO-Kader

Morgen geht es endlich los mit der diesjährigen Europameisterschaft. Grund genug, sich die Kader der teilnehmenden Mannschaften etwas genauer anzusehen und einer vergleichenden Analyse zu unterziehen.

1. Alter 

Als erste Kategorie, und als die, die auch am einfachsten zu erruieren ist, gilt natürlich das Durchschnittsalter. Graphik 1 zeigt die Durchschnittsalter der Kader aller Teilnehmer, wobei sich eine relativ große Bandbreite offenbart: vom niedrigsten Schnitt, nämlich den 24,5 Jahren von Deutschland, zum höchsten, den fast 28,5 Jahren Russlands, klafft eine Lücke von beinahe vier Jahren. 
Ebenfalls auffällig ist, dass die vier Teams mit dem höchsten Schnitt ein beinahe gleich hohes Durchschnittsalter aufweisen, die Kurve dann steil fällt (beinahe ein Jahr Unterschied), die nächsten neun Nationen wieder relative ähnliche Werte erreichen und bei den verbleibenden drei Ländern die imaginäre Kurve wieder stetig nach unten sinkt.


Graphik 1

Graphik 2 wiederum zeigt die Durchschnittsalter ohne die Torhüter. Das Argument ist bekannt; Torhüter werden mit dem Alter besser und erreichen erst jenseits der 30 ihren Zenit, weshalb sie bei dieser Kategorie ausgenommen werden sollten. Allerdings zeigen junge Torhüter wie Manuel Neuer, Joe Hart und Igor Akinfeev, dass man schon als Mitzwanziger die Nummer 1 einer großen Nation sein kann. Da ist es nur logisch, dass der Altersschnitt in ihren Ländern ohne die jeweils drei Torhüter sogar höher ist als mit, sie den Schnitt also senken.

Graphik 2

Der Altersdurchschnitt ist als Kategorie alleine natürlich unzureichend; so haben ein 30- und ein 20jähriger den selben Schnitt wie zwei 25jährige. Um dieses Problem etwas zu entschärfen und einen etwas genaueren Blick auf die Altersstruktur der Kader zu bekommen, zeigt Graphik 3 die Kader der EM-Teilnehmer in 4 Alterskategorien aufgeteil: 
  • 19 Jahre und jünger (blau), 
  • 20 bis 24 Jahre (orange), 
  • 25 bis 29 Jahre (gelb), 
  • und 30 Jahre und älter (grün).

 Graphik 3

Einige Besonderheiten fallen bei dieser Darstellung auf:
  • es wurden kaum Teenager einberufen. Nur England hat deren zwei im Aufgebot, fünf weitere Auswahlen jeweils einen und damit ganze zehn überhaupt keinen. Man setzt grundsätzlich also eher auf erfahrenere Spieler und keine kompletten Newcomer
  • die Nationen mit dem höchsten Altersschnitt sind logischerweise auch diejenigen, mit den meisten Ü30-Spielern im Kader. Es wird sich weisen, ob die Spieler von Russland, Irland, Schweden, Italien, etc. noch auf höchstem Niveau Leistung erbringen können, oder ob sie ihren Zenit bereits überschritten haben
  • bei 15 von 16 Ländern ist der Anteil der 25- bis 29jährigen am höchsten
  • Ausnahme: Deutschland. Joachim Löw setzt auf viele Spieler Anfang 20, wodurch seine Mannschaft ja auch insgesamt den niedrigsten Altersschnitt aufweist


2. Erfahrung

Erfahrung wird häufig und vor allem bei Turnieren, hier vor allem geäußert in der Fähigkeit, mit den Anforderungen einer mehrwöchigen Veranstaltung und dem Siegesdruck fertig zu werden, als ein immens wichtiger Faktor angesehen. Neben dem Alter, das im vorherigen Punkt untersucht und verglichen wurde, manifestiert sich Erfahrung vor allem in der Anzahl der jeweils absolvierten Länderspiele. Graphik 4 zeigt diese durchschnittlich pro Spieler pro Team an, sowohl die absolute Anzahl (blau, linke y-Achse), als auch die Länderspiele, die bei Europameisterschaften absolviert wurden (orange, rechte y-Achse).

Graphik 4

Es zeigt sich, dass die WM-Finalisten Spanien und Niederlande den höchsten Schnitt an absolvierten Spielen aufweisen, gefolgt von Schweden, das allerdings eine durchschnittlich viel ältere Mannschaft aufweist. Nationen wie Italien und Frankreich, die nach ihren jeweiligen Fiaskos vor zwei Jahren in Südafrika (beide out in der Vorrunde) einen Umbruch starteten, sowie Mitveranstalter Polen liegen am unteren Ende der Skala. Die Bandbreite reicht von 21,04 (Polen) bis 44,17 (Spanien). Ob ein seit Jahren eingespieltes Team wie im Falle Spaniens ein Vorteil ist, wird der Turnierverlauf weisen.

In Punkto EM-Einsätze haben wiederum Spanien, die Niederlande und Schweden gemeinsam diesmal mit Russland den höchsten Erfahrungsschatz aufzuweisen. Natürlich ist diese Statistik vor allem bei kleineren Ländern über die Zeit nicht stabil, da bereits eine einzige Nichtqualifikation eine ganze Spielergeneration um die Möglichkeit bringen kann, Erfahrungen zu sammeln, was sich beispielsweise bei den niedrigen Werten der Ukraine, Irland und Dänemark zeigt. Aber auch bei Nationen wie Frankreich und Polen, die beim letzten Turnier 2008 schon dabei waren, sind von den damaligen Spielern nur mehr wenige dabei.

Graphik 5 setzt die beiden Variablen Durchschnittsalter und Durchschnittserfahrung mit einander in Verbindung. Dazu wird die durchschnittliche Anzahl an absolvierten Länderspielen durch das Durchschnittsalter des Kaders dividiert. Je höher der errechnete Wert ist, desto positiver. Ganz vorne sind, wohl nicht zufälligerweise, die großen Favoriten Spanien und die Niederlande; Schweden und Deutschland; folgen ihnen direkt nach.


Graphik 5 

3. Qualität

Die Qualität eines Spielers ist schwierig zu messen, und sicherlich positions- und aufgabenabhängig. Deshalb begnügt sich Graphik 6 damit, Spieler nach der Qualität der Liga, in der sie engagiert sind, zu evaluieren.  Die Basis für die Klassifizierung der Ligen bildet die UEFA-Fünfjahreswertung. Die Punktevergabe geschieht nach folgendem Schlüssel:

  • Rang 1-5 (England, Spanien, Deutschland, Italien, Portugal): fünf Punkte pro Spieler
  • Rang 6-10 (Frankreich, Russland, Niederlande, Ukraine, Griechenland): vier Punkte pro Spieler
  • Rang 11-15 (Türkei, Belgien, Dänemark, Schweiz, Österreich): drei Punkte pro Spieler
  • Rang 16-20 (Zypern, Israel, Schottland, Tschechien, Polen): zwei Punkte pro Spieler
  • Rang 21-25 (Kroatien, Rumänien, Belarus, Schweden, Slowakei, sowie sonstige Ligen und vereinslose Spieler): ein Punkt pro Spieler

Graphik 6
Wiederum stehen Spanien und Deutschland an erster Stelle. Beide erreichen die maximale Punkteanzahl von 115 (=23*5). Ebenfalls auf eine sehr gute Punkteanzahl (über 100) kommen Italien, Niederlande, England, Portugal und Frankreich. Skandinavier (Dänemark und Schweden) sowie ehemalige sozialistische Länder (Kroatien, Tschechien und Polen) liegen am unteren Ende des Feldes.

4. Fazit

Eine beliebte Floskel lautet "die Wahrheit liegt am Platz". Ab morgen tut sie das, und alle diese statistischen Spielereien werden auf ihre Brauchbarkeit empirirsch an der Wirklichekit gemessen. Tatsächlich weisen sie aber auch tendenziell darauf hin, dass der nächste Europameister Spanien oder Deutschland heißen wird.

Sonntag, 3. Juni 2012

Zusammenhang zwischen Toranzahl und internationalem Erfolg?

Inspiriert von einem ähnlichen Ansatz auf Zonalmarking, stellte ich mir die Frage, ob vielleicht ein Zusammenhang besteht zwischen der Anzahl der erzielten Tore in der heimischen Liga und ihren Leistungen auf internationalem Parkett. Der Autor auf Zonalmarking argumentiert, dass englische Teams in internationalen Klubbewerben besser abschnitten, wenn in der heimischen Premier League weniger Tore fielen. 

Aufgrund der in der abgelaufenen Saison feststellbar niedrigen Toranzahl in der österreichischen Liga soll in der Folge untersucht werden, ob hier ein ähnlicher Zusammenhang feststellbar ist. 

Es werden also zwei Variablen gekreuzt: die durchschnittliche Anzahl der Tore pro Spiel und die Leistung der österreichischen Vereine in internationalen Bewerben. Diese wird mittels der Punkte, die pro Saison für die UEFA-Fünfjahreswertung gesammelt wurden, ermittelt. Entnommen wurden diese Daten der exzellenten Homepage von Bert Kassies. Der untersuchte Zeitraum sind die letzten zehn Spielzeiten, also von 2002/03 bis 2011/12.

Graphik 1 zeigt separat die durchschnittliche Anzahl der erzielten Tore (gelb, auf der rechten y-Achse) sowie die jeweils erreichten Punkte (blau, auf der linken y-Achse). Festzustellen sind einige Dinge:

  • Der Torschnitt bewegte sich lange auf ziemlich gleichbleibendem Niveau.
  • In der Saison 2008/09 schoss er plötzlich nach oben, um seitdem stetig zu sinken.
  • In der abgelaufenen Saison 2011/12 wurde ein absoluter Negativrekord erzielter Tore aufgestellt.
  • Die Anzahl der erreichten Punkte auf internationalem Niveau folgt keinem allgemeinen Trend.
  • 2004/05 folgte ein Ausreißer nach oben (Austria Wien im UEFA-Cup-Viertelfinale).
  • In den letzten drei Saisonen sind die Ergebnisse akzeptabel, was sich auch in der Fünfjahreswertung niederschlägt. Zumindest teilweise ist dies sicherlich auch auf die von Michel Platini durchgeführten Reformen zurückzuführen. 


Graphik 1


Nun ist zu untersuchen, ob die beiden Variablen im behaupteten Zusammenhang miteinander stehen. Wenn dies so wäre, müsste die Anzahl der international erreichten Punkte umso höher sein, je niedriger der Torschnitt pro Spiel ist. Die Kurve in Graphik 2 müsste also von links oben nach rechts unten verlaufen. 

Tatsächlich ist eine derartige Tendenz feststellbar, allerdings gibt es auch zwei sehr und eine einigermaßen auffällige Ausnahmen. Die auffälligste ist die bereits erwähnte Saison 2008/09, in der ein besonders hoher Torschnitt erreicht wurde. Die internationale Performance war zwar eine der schwächsten im untersuchten Zeitraum, aber noch "zu gut", um in die These zu passen.

Die andere Ausnahme ist rechts oben die Saison 2009/10. Dies ist die Spielzeit mit dem international besten Ergebnis, allerdings wurden national "zu viele" Tore erzielt. Auch in der ebenfalls bereits erwähnten Saison 2004/05 fielen "zu viele" Tore. 

Interessanterweise wird die postulierte These völlig widerlegt, wenn man sich nur die drei international erfolgreichsten Spielzeiten ansieht, also die drei, die in der Graphik am weitesten oben sind. Diese verliefen nämlich miteinander verglichen am erfolgreichsten, je mehr Tore jeweils fielen. Zu beachten ist jedenfalls, dass bei einer statistischen Fallzahl von 10 wie im vorliegenden Fall drei derart stark abweichende Fälle, also fast ein Drittel, schon starke Gegenargumente sind.


Graphik 2


Zum Schluss könnte man noch vermuten, dass möglicherweise nur ein Zusammenhang besteht zwischen dem Torschnitt jener Mannschaften, die auch international vertreten sind, und ihrem Abschneiden. Graphik 3 wiederlegt dies allerdings. Der Torschnitt pro Spiel eines internationalen Starters bewegt sich auf homogenem Niveau zwischen 2,4 und 2,8 mit Ausnahme der Spielzeit 2008/09. Die erreichten Punkte allerdings variieren, wie wir bereits gesehen haben, völlig.


Graphik 3


Anders liest sich die Graphik allerdings, wenn man nur die Gegentore der im Europacup vertretenen Klubs miteinbezieht. Hier zeigt sich durchaus ein gewisser Zusammenhang (Graphik 4). Mehr als eine Tendenz ist dies allerdings auch nicht.


Graphik 4


Fazit:

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die österreichischen Klubs international umso besser abschneiden, je weniger Tore sie in der heimischen Liga bekommen. Dies ist sicherlich kein allzu überraschender Befund. Gerade international erweist es sich also als notwendig, defensiv stabil zu stehen. Wenn dies erfolgreich praktiziert werden kann, manifestiert es sich auch auf nationaler Ebene durch eine niedrige Anzahl erhaltener Tore. 

Beachtet werden muss allerdings, dass dieses Ergebnis keinerlei Aussage über Kausalitäten treffen kann. Ob das eine das andere bedingt oder umgekehrt, kann nicht mit Sicherheit bestätigt oder ausgeschlossen werden. Die Frage erscheint aber durchaus berechtigt zu sein. Interessant und verläßlichere Ergebnisse bringend wäre eine Untersuchung, die sowohl diachron, also mehr Saisonen, als auch synchron, also mehr unterschiedliche Ligen, eine größere Fallzahl berücksichtigt.