Samstag, 27. Februar 2016

Was Heimo Pfeifenberger beim WAC verbesserte

Das Problem Didi Kühbauers als Trainer des WAC in den Spielen letzten Herbst war, dass sich sein Team zwar recht gute Einschussmöglichkeiten erspielte, insgesamt jedoch nur unterdurchschnittlich viele davon nützte. Für elf Tore benötigte man 202 Schüsse, was einem Verwandlungsanteil von lediglich knapp über 5% entspricht. Das ist nur halb so hoch wie bei einem durchschnittlichen Bundesligateam, der Erwartungswert bei so vielen Schüssen liegt dementsprechend bei über 22 Toren. Unter Pfeifenberger stieg der Anteil der verwandelten Schüsse auf gut 8%, was immer noch niedriger als im Schnitt ist, aber schon in Richtung des Normalwerts geht. Dieses Phänomen ist als Regression zum Mittelwert bekannt und kein Verdienst des neuen Trainers, sondern tritt bei steigender Datenmenge im Normalfall automatisch auf.

Allerdings gibt es auch das gegenteilige Phänomen. Unter Kühbauer erhielt der WAC 22 Gegentore aus 200 Schüssen, also so viele, wie er auch hätte erzielen sollen. Unter Pfeifenberger hat das Team in sieben Spielen 92 Schüsse zugelassen, jedoch nur fünf Tore bekommen (~5%, und drei davon ironischerweise im Auswärtsspiel bei Rapid, als man als Auswärtsteam die klar besseren Tormöglichkeiten hatte). In dieser Hinsicht ist der Wert unter Pfeifenberger offensichtlich noch von der niedrigen Fallzahl verzerrt, es ist also zu erwarten, dass er den Gegentorschnitt nicht halten wird. Jedoch ist wie dargelegt auch noch mit steigenden erzielten Toren zu rechnen, was sich im Abstiegskampf als Vorteil erwiesen könnte.
 
Team
Eigene Schüsse verwandelt
(in Prozent)
Gegnerische Schüsse verwandelt
(in Prozent)
Admira
11,07
11,26
Altach
11,97
10,15
Austria
11,35
12,88
Grödig
10,77
10,36
Mattersburg
13,15
11,56
Rapid
16,33
9,66
Ried
8,47
11,29
Salzburg
12,03
11,52
Sturm
7,91
10,98
Wolfsberg
6,49
9,25
Die Tabelle zeigt an, wie viele Schüsse jedes Team der Bundesliga prozentuell bisher verwandelt hat sowie wie viele davon gegen jedes Team verwandelt wurden. Wie wir sehen, steht der WAC in beiden Wertungen ganz unten (nicht nur aufgrund der alphabetischen Reihung). Er verwandelte sowohl die wenigsten Schüsse in Tore, erlitt aber auch prozentuell nur am wenigsten Tore aus den zugelassenen Schüssen. Wie bereits erklärt, ist in Zukunft also mit einem Anstieg sowohl der Tore als auch der Gegentore in Relation zu den Schüssen zu rechnen.

Es gibt allerdings einen Aspekt, in dem sich der WAC unter dem neuen Trainer tatsächlich verbessern konnte. Zuerst vergleichen wir jedoch die nackten Schussstatistiken unter den beiden Trainern mittels des Boxplots in Graphik 1. Sie zeigen an, wie viele Schüsse in den Spielen der bisherigen Saison unter den beiden Trainern jeweils abgegeben beziehungsweise zugelassen wurden. Die schwarzen horizontalen Striche in den blauen Boxen geben die Medianwerte an, die weißen Kreise die Mittelwerte. 

Graphik 1
Wie wir sehen, sind bei den Schüssen insgesamt die Werte unter Pfeifenberger nach oben geschnellt; es wurden sowohl mehr Schüsse abgegeben (2,5 pro Spiel) als auch zugelassen (0,5). Die Veränderungen sind im Offensivspiel also eklatanter und erklärt im Zusammenhang mit der oben angesprochenen etwas verbesserten Verwertung der Schüsse den fast doppelt so hohen Torschnitt unter Pfeifenberger. Dass sich auch der Gegentorschnitt massiv verbesserte, ist hingegen beinahe ausschließlich auf die nach unten gerasselte gegnerische Chancenauswertung zu schieben, also keine nachhaltige Verbesserung.

Worin sich die Mannschaft in den sieben Spielen jedoch entschieden verbessern konnte, sind die Schüsse aus der sogenannten Gefahrenzone (Danger Zone). Diese besteht aus dem Torraum sowie dem Bereich des Strafraums, der durch die gedachte Verlängerung der kurzen Seiten des Torraums bis zur Strafraumlinie und diese selbst begrenzt wird (siehe diese Visualisierung). Schüsse aus dieser Zone haben eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, ins Tor zu gehen (Anmerkung: Elfmeter werden ausgenommen und separat behandelt). Während von allen Schüssen in etwa elf Prozent im Tor landen, sind es bei Schüssen aus der Gefahrenzone bei allen Teams in der bisherigen Saison knapp 21%, also fast doppelt so viele. In diese Zone zu kommen und dort Abschlüsse zu verbuchen beziehungsweise den Gegner davon abzuhalten ist also von immenser Bedeutung.

Graphik 2
Graphik 2 repliziert die erste Graphik, berücksichtigt allerdings nur diese Schüsse aus der Gefahrenzone. Wie wir sehen, hat der WAC unter Pfeifenberger im Schnitt sowohl mehr Schüsse in dieser Zone abgegeben als auch weniger zugelassen als unter seinem Vorgänger. Man gibt pro Spiel etwa 1,8 dieser Schüsse ab und lässt circa 1,1 weniger zu. Wenn man die Erfolgswahrscheinlichkeit dieser Schüsse berücksichtigt, sind das in der bisher kurzen Amtszeit Pfeifenbergers fast drei erwartete Tore mehr (+2,6) und fast zwei erwartete Gegentore weniger (-1,66). In diesem Zusammenhang kann man also von einer tatsächlichen Verbesserung sprechen.

Natürlich ist die Fallzahl noch relativ gering, da der WAC erst sieben Spiele unter Pfeifenberger absolvierte. Deshalb sollte man Durchschnittswerte nicht überinterpretieren, und die Unterschiede sind weder im Fall der insgesamt abgefeuerten Schüsse noch in jenem der Schüsse aus der Gefahrenzone ausreichend statistisch signifikant. Allerdings spielte der WAC in diesen sieben Spielen bereits gegen die vier stärksten Teams der Liga (zweimal davon auswärts) und konnte in diesen auch immerhin fünf Punkte holen. Die Verbesserung resultiert also sicherlich nicht nur aus der Tatsache, dass man es mit schwächerer Konkurrenz zu tun gehabt hätte.

Die Veränderung drückt sich auch in relationalen Zahlen aus. Die Total Shot Ratio, also die Metrik, die die eigenen abgegebenen Schüsse in Relation zur Summe der abgegebenen und zugelassenen Schüsse setzt, war bereits unter Kühbauer besser als bei einem Abstiegskandidaten (0,50) und verbesserte sich marginal unter Pfeifenberger (0,54). Die Danger Zone Shot Ratio, die also gleich funktioniert, jedoch nur Schüsse aus der Gefahrenzone berücksichtigt, ist jedoch nach oben geschnellt und beträgt unter Pfeifenberger 0,66 (im Vergleich zu 0,51 unter Kühbauer, der Unterschied ist zudem statistisch signifikant auf dem 95%-Level). Unter Kühbauer machten diese besonders aussichtsreichen Schussmöglichkeiten knapp 37% aller insgesamt abgegebenen Schüsse aus; unter Pfeifenberger stieg der Wert noch einmal auf über 42% an.

Ob das anhält, ist jedoch zweifelhaft; der Wert ist bereits zu gut, um wahr zu sein. Wie Graphik 3 anzeigt, wäre der WAC mit einer DZSR  von 0,66 das beste Team der gesamten Liga. Wahrscheinlich wird also diese Kennzahl in den nächsten Spielen wieder etwas zurückgehen, allerdings war der WAC bereits unter Kühbauer in der besseren Tabellenhälfte dieser Wertung. Man kann also davon ausgehen, dass die Mannschaft insgesamt zu gut für den Abstieg ist.

Graphik 3

Dienstag, 23. Februar 2016

Macht es überhaupt einen Unterschied?

Vor einigen Wochen schrieb ich an dieser Stelle einen Beitrag, in dem ich versuchte aufzuzeigen, wie die in den letzten fünf Jahren in der österreichischen Bundesliga angestellten Trainer punktemäßig im Vergleich zu einem prognostizierten Erwartungswert abschnitten. Dieser Erwartungswert basierte auf dem durchschnittlichen Marktwert der zur Verfügung stehenden Spieler, der, wie ich gezeigt habe, ein sehr starker Prädikator für sportliches Abschneiden ist. Allerdings determiniert er die Punkteausbeute nicht, es ist also Spielraum für Trainer, etwas zum Guten oder zum Schlechten zu wenden. Wir sahen, dass das durchaus geschieht. Die Teams einiger Trainer holten pro Spiel signifikant mehr Punkte als erwartet, während andere kontinuierlich schlechtere Ergebnisse als erwartet holten. Der Großteil der Trainer ist allerdings im Mittelfeld, hat also keinen relevanten Einfluss auf die Punkteausbeute ihrer Teams.

Am Wochenende erschien bei den Kollegen von Ballverliebt ein hochinteressanter und sehr datenreicher Artikel zur Frage, ob sich einige Merkmale der angestellten Trainer (Spielerkarriere, absolvierte Länderspiele,  in Österreich in den letzten zwanzig Jahren verändert haben. Grundessenz des Artikels ist in Bezug auf die heimische Bundesliga ist, dass weiterhin vor allem ehemalige Profis und Nationalspieler als Trainer eingestellt werden, während Leute ohne nennenswerte Spielerkarriere es damals wie heute schwer haben. 

Die Frage, die ich in den folgenden Zeilen klären möchte, ist ob sich diese beiden Beobachtungen verbinden lassen. Ist es gerechtfertigt, einen Trainer mit Spielerkarriere bei der Auswahl vorzuziehen? Hilft eine lange, erfolgreiche Spielerkarriere für die Zeit danach? Konkret gefragt: Hat die Anzahl absolvierter Spiele einen Einfluss auf auf das Abschneiden als Trainer?

Dafür greife ich auf denselben Datensatz wie für den oben verlinkten Text zurück. Der Erfolg als Trainer wird also durch die Anzahl der Punkte, die jeder der Übungsleiter mit Verantwortung in mehr als fünf Pflichtspielen seit 2010 (42 an der Zahl) pro Spiel mehr holte als man von den von ihm betreuten Mannschaften erwarten konnte. Für die Spielerkarriere zähle ich sowohl die absolvierten Ligaspiele als auch Länderspiele, Daten kommen dafür hauptsächliche aus den jeweiligen Wikipediaeinträgen, die in der Regel ergiebiger sind als die sonst gerne verwendeten Datenbanken wie Weltfussball oder Transfermarkt. Diese werden jedoch zur Vervollständigung herangezogen, wenn kein Wikipediaartikel vorhanden ist.

Zuerst ein wenig deskriptive Datenanalyse: Im Durchschnitt absolvierten die 42 Trainer 331 Ligaspiele (der Median liegt bei 369). Lediglich vier davon absolvierten gar keine (Gludovatz, Hyballa, Kraft und Zeidler), acht kommen auf mehr als 500 davon. Bei den Länderspielen ist die Datenlage weit verzerrter. Der Mittelwert liegt bei 18, der Median allerdings nur bei 1,5. 20 der 42 Trainer absolvierten null Länderspiele, nur 15 kommen auf einen Wert über dem Durchschnitt. Graphik 1 zeigt mittels Punktdiagramm die absolvierten Länder- und Ligaspiele. Beide Werte korrelieren statistisch signifikant auf mäig hohem Niveau miteinander, was nicht besonders überrascht; wer überhaupt nicht professionell Fußball spielt, wird auch keine Nationalteameinsätze bekommen.

Graphik 1

Nun aber zu der Frage, ob diese Daten für den Erfolg einer Trainerkarriere überhaupt von Bedeutung sind. Zuerst analysiere ich die Ligaspiele und deren Einfluss auf den Erfolg als Trainer. In Graphik 2 plotte ich die absolvierten Ligaspiele auf der x-Achse und die über dem Erwartungswert geholten Punkte auf der y-Achse. Die dickere, gestrichelte Linie zeigt die Grenze an: Wer darüber liegt, holte mehr Punkte als erwartet; darunter liegen dementsprechend die Trainer, die eine schwächere Punkteausbeute als möglich gewesen wäre aufweisen. Dies trifft wie man sieht auf die meisten zu; nur zwölf der 42 weisen einen positiven Saldo auf.

Diejenigen, die über dieser Linie liegen, haben jedoch höchst unterschiedliche Spielerkarrieren hinter sich. Interessanterweise finden sich die beiden erfolgreichsten Trainer (Stöger und Gludovatz) an den jeweiligen Extremen der möglichen Spielerkarriere; Stöger hat über 500 Spiele in den Beinen, Gludovatz kein einziges. Von denen unter der gestrichelten Linie scheinen die meisten tendenziell eher mehr als weniger Spiele absolviert haben.

Graphik2

Die durchgehende Linie stellt die Regressionsgerade dar, also jene, die am wenigsten weit von allen Punkten entfernt ist. Sie sinkt leicht nach unten, was darauf hinweist, dass Trainer im Schnitt sogar schwächer abschneiden, je mehr Ligaspiele sie absolviert haben. Allerdings ist dieser Zusammenhang schwach ausgeprägt und statistisch nicht signifikant. Tatsächlich ist es also egal, wie viele Spiele ein Trainer als Spieler absolviert hat; es gibt keinen Zusammenhang mit seinem punktemäßigen Abschneiden als Chefcoach.

Aufgrund der schiefen Verteilung rechne ich bei den Länderspielen keinen linearen Zusammenhang, sondern beschränke mich auf ein Boxplot. Dafür teile ich die Trainer in zwei Gruppen (mindestens ein Länderspiel absolviert ja oder nein) ein und stelle für diese beiden die Streuung der geholten Punkte über dem Erwartungswert dar (Graphik 3).

Graphik 3

Wiederum zeigt sich, dass die Trainer ohne Spielerkarriere sogar leicht besser abschneiden. Die Trainer, die Länderspiele absolvierten, kommen im Schnitt auf etwa 0,13 Punkte pro Spiel weniger als erwartet. Bei denen, die nie zu Teamehren kamen, liegt die Ausbeute bei 0,11 Punkten pro Spiel unter dem Erwartungswert - ein winziger und statistisch nicht signifikanter Unterschied. Der Median liegt bei denen ohne absolvierte Länderspiele bei 0, sie holten also, was man erwarten konnte. Bei denen mit Länderspielen liegt er wiederum darunter. In beiden Gruppen gibt es zudem zwei Ausreißer nach unten (dargestellt durch die einzelnen Punkte). Der Punkt rechts oben stellt wieder Peter Stöger dar.

Zusammenfassend kann also eindeutig gesagt werden, dass die Spielerkarriere für den Erfolg in der Karriere danach keine Rolle spielt. Das gilt sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Man kann ein guter Spieler gewesen sein und ein guter Trainer (Typ Guardiola), man kann das aber auch ohne Spielerkarriere erreichen (Typ Mourinho). Selbstverständlich kann man auch mit oder ohne Spielerkarriere ein schlechter Trainer sein, aber die bleiben meist auf der Strecke, wie das Beispiel der missglückten Amtszeit von Peter Zeidler bei RB Salzburg zeigt.

Natürlich ist diese kurze Analyse nicht erschöpfend. Sie behandelt "nur" 42 Trainer in der österreichischen Bundesliga, die zudem nur sechs Spiele tätig gewesen sein mussten, um in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Mit mehr Spielen und mehr Trainern wären die Ergebnisse wahrscheinlich aussagekräftiger, aber das ist eben alles was ich habe. Zudem behandle ich nur einen Aspekt des Trainerberufs, nämlich sportlichen Erfolg in der Meisterschaft. Als Erfolg kann man natürlich auch einen attraktiven Spielstil, Cup-Titel oder den Einbau von Jugendspielern in die erste Mannschaft definieren. Mit derartigen Operationalisierungen sähen die Ergebnisse vielleicht auch anders aus.

Ein weit wichtigerer Einwand gegen die Ergebnisse ist jedoch, dass Trainer ohne Spielerkarriere darin sogar noch zu schlecht abschneiden. Das liegt an einem möglichen survival bias. Da Trainer in der Bundesliga bevorzugt angestellt werden, wenn sie eine halbwegs ordentliche Spielerkarriere im CV stehen haben, bekommen viele geeignete Kandidaten ohne Spielerkarriere gar keine Chance, ihre Fähigkeiten einzubringen, oder werden vorschnell wieder entlassen (wie Peter Hyballa). Zudem ist zu erwarten, dass in unteren Spielklassen ähnliche Mechanismen am Werk sind, sie also erst gar keine Chance haben, sich nach oben zu arbeiten. Sie sind also im Sample möglicherweise unterrepräsentiert. Was die Ergebnisse jedoch jedenfalls andeuten, ist, dass die Spielerkarriere eines Trainerkandidaten bei seiner Auswahl keine Rolle spielen sollte.