Donnerstag, 26. Februar 2015

Update und Fazit zu Villarreal gegen Salzburg

Es hat nicht gereicht. Insgesamt war man zwar während fünfzehn Minuten auf Aufstiegskurs, insgesamt bekam man allerdings doch deutlich die Grenzen aufgezeigt. Das Gesamtscore von 5:2 zugunsten von Villarreal zeigt auch, dass ein Aufstieg Salzburgs in die nächste Runde nicht verdient gewesen wäre. 

Auch die Daten, die mit Toren sehr hoch korrelieren, nämlich den Schüssen, zeigte sich Villarreal über beide Partien stärker, weshalb man sich auch durchsetzen konnte. Graphik 1 zeigt, dass Salzburg zwar insgesamt in beiden Spielen öfter in Richtung gegnerisches Tor geschossen hat (24 gegenüber 20), allerdings traf Villarreal das gegnerische Tor häufiger, sowohl absolut (13 gegenüber 9) als auch relativ (65% der abgegebenen Schüsse erreichten das gegnerische Tor, bei Salzburg hingegen nur etwas mehr als halb so viele, nämlich 37,5%).

Graphik 1

Das hängt natürlich auch mit den Schusszonen zusammen. Villarreal gab genau drei Fünftel der Schüsse von innerhalb des gegnerischen Strafraums ab, während es bei Salzburg nur genau die Hälfte waren. Insgesamt ist das zwar angesichts der guten Strafraumverteidigung Villarreals, die im letztwöchigen Porträt ausführlich diskutiert wurde, ein guter Wert, dennoch war es letztlich zu wenig Gefahr, die Salzburg kreieren konnte. Dazu gelang es Villarreal zu oft, in gefährliche Zonen einzudringen und dort zum Abschluss zu kommen. 

Graphik 2 zeigt, wie sich das Schussverhältnis während der gesamten 180 Minuten entwickelte, dargestellt aus der Sicht von Villarreal (Werte über 0,5 zeigen also ein Übergewicht von Villarreal an). Es zeigt sich, dass Villarreal im Hinspiel zu Beginn das Kommando übernahm, und Salzburg bis Minute 26 zu überhaupt keinem Schuss kam. Danach konnte Salzburg das Verhältnis etwas zu seinen Gunsten verändern, ohne allerdings in den positiven Bereich, also unter 0,5 zu kommen. Auf diese leichten Verbesserungen folgte das erste Tor von Villarreal. Darauf folgend konnte Salzburg zwar bei der TSR (total shot ratio) wieder aufholen, allerdings gelang kein einziger Schuss auf das Tor, weshalb die wichtigere, weil aussagekräftigere STR (shot on target ratio) sich zwischen 1:0 und 1:1 nicht veränderte. Der Effekt durch den Ausgleich währte jedoch nicht lange, bereits nach wenigen Minuten und der erneuten Führung durch Cheryshev war man auf ähnlichen Levels wie vor dem Ausgleich. Unmittelbar nach der erneuten Führung folgte eine Drangphase Villarreals, in der beide Metriken noch einmal nach oben gingen. Etwa ab Minute 60 gab sich Villarreal jedoch mit dem Ergebnis weitgehend zufrieden. Salzburg konnte durch einige Abschlüsse die TSR bis zum Abpfiff zwar noch auf 0,5 drücken, die STR blieb jedoch knapp unter 0,7, was eine durchaus starke Dominanz Villarreals ausdrückt.

Graphik 2. Die gestrichelten vertikalen Linien zeigen die Minuten an, in denen die Tore fielen.


Im Rückspiel passierte eine Viertelstunde genau gar nichts, ehe Salzburg mit dem ersten Schuss in Führung ging. Nach diesem Tor konnte Salzburg sogar noch etwas nachlegen, ehe der Ausgleich die Situation verkomplizierte. Wie im Hinspiel beendete Villarreal starke Phasen der Salzburger mit Gegentoren, was die Klasse dieses Teams nur unterstreicht. Nach dem Ausgleich passierte nämlich länger nichts, ehe Salzburg nach einem kurzen Aufflackern der Qualität Villarreals beide Metriken sukzessive nach unten schraubte. Man näherte sich an das Tor, das die Verlängerung bedeutet hätte, mittels Abschlüssen an. Die TSR lag zwanzig Minuten bei 0,44, also niedriger als irgendwann sonst in beiden Partien. Auch die STR konnte auf 0,55 gesenkt werden, was den niedrigsten Wert seit dem Zeitpunkt unmittelbar vor dem 1:0 im Hinspiel darstellt. Wiederum allerdings ging der Schuss nach hinten los; als man kollektiv sehr weit aufgerückt war, spielte Villarreal zwei ihrer präzisen Konter und beendete alle Aufstiegsmöglichkeiten der Salzburger. Diese beiden Abschlüsse korrigierten die Metriken aus Sicht von Villarreal wieder etwas nach oben auf das Niveau, auf dem sie auch nach dem Schlusspfiff zu Liegen kamen (TSR 0,45; STR 0,59).

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass Villarreal über beide Partien gesehen die bessere Mannschaft war. Die STR lag nie unter 0,5 und erst in der letzten halben Stunde des Rückspiels unter 0,6. Salzburg konnte zwar phasenweise recht gut dagegenhalten und vor allem im Rückspiel die Metriken einigermaßen verbessern, machte allerdings einerseits zu wenig aus den eigenen Möglichkeiten, und war andererseits im Anschluss an eigene Möglichkeiten zu anfällig für Gegenstöße, was Villarreal in manchen Situationen leichtes Spiel beim Torerfolg ließ.


Alle Daten von Squawka. Die Graphiken können wie üblich durch Anklicken vergrößert werden.


Donnerstag, 19. Februar 2015

Villarreal CF: Taktisch-statistisches Porträt

Eine schnell umschaltende, im 4-4-2 antretende Mannschaft, die in mancher Hinsicht defensive Probleme hat und deren bester Spieler Soriano heißt. Was sich durchaus nach dem FC Red Bull Salzburg anhört, ist in Wirklichkeit der Villarreal CF, aktuell Tabellensechster der Primera División und Gegner der Salzburger im Sechzehntelfinale der Europa League.

1. Einleitung


Die ganz großen Namen sind nicht mehr dabei. Spieler wie Marcos Senna, Santi Cazorla, Joan Capdevila und Carlos Marchena, durchgängig Welt- und/oder Europameister mit der spanischen Nationalmannschaft, sind spätestens (mit Ausnahme von Senna) mit dem Abstieg 2012 abgegeben worden, genauso wie die ausländischen Nationalspieler Robert Pirès, Nilmar und Giuseppe Rossi sowie andere bekannte einheimische Spitzenkräfte, darunter Diego López und Diego Godín. Von den Spielern, die bereits beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Teams im Herbst 2009 bei Villarreal unter Vertrag standen, sind nur noch Mateo Musacchio und Bruno Soriano, wobei ersterer damals in beiden Spielen nicht zum Einsatz kam. Soriano hingegen spielte beide Male durch. Zum Vergleich: Bei Salzburg sind von damals noch Andreas Ulmer, Christian Schwegler und Christoph Leitgeb übrig und spielen durchaus weiterhin eine wichtige Rolle. 

Trotz des erlittenen Aderlasses spielt Villarreal seit dem direkten Wiederaufstieg 2013 eine gute Rolle in der Primera División. Im Vorjahr konnte der sechste Abschlussrang belegt werden, der zur Teilnahme an der Europa League berechtige. Dabei wurden Teams wie Real Sociedad, Valencia CF und Málaga CF hinter sich gelassen, die zumindest in punkto Durchschnittsmarktwert vor dieser Saison höher eingeschätzt waren. Auch in der heurigen Saison schneidet das Team besser als erwartet ab und belegt wiederum einen Europacupplatz. Außerdem ist man im Gegensatz zu Meister Atlético und Titelverteidiger Real Madrid ins Halbfinale der Copa del Rey aufgestiegen, wo man auf den FC Barcelona treffen wird. Das Hinspiel wird dabei noch vor den beiden Aufeinandertreffen mit Salzburg gespielt werden, das Rückspiel jedoch erst im März.

Das gute Abschneiden ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Lehren aus dem unerwarteten Abstieg 2012, der erst aufgrund turbulenter Ereignisse in den Schlussminuten der letzten Partie jener Saison geschah, gezogen wurden. Der Klub nützte das Jahr in der zweiten Liga zur Katharsis. So wurde etwa die Transferpolitik umgestellt; während der direkte Wiederaufstieg durchaus mit erfahrenen Spielern (wie beispielsweise Wálter Pandiani, Olof Mellberg und Javi Venta) erreicht werden sollte, begann man sukzessive, Spieler unter 25 zu verpflichten (etwa die heutigen Stammspieler Torwart Asenjo, Giovanni dos Santos und später sein Bruder Jonathan, Luciano Vietto, Gabriel Paulista und Tomás Pina). Ältere Spieler wurden hingegen der Reihe nach abgegeben, und die Reihen oft mit Spielern aus der eigenen Reservemannschaft aufgefüllt. Eigenbauspieler wie Moi Gómez, Jaume Costa und Manu Trigueros wurden kontinuierlich an die erste Mannschaft herangeführt und sind dort mittlerweile voll integriert. Daneben wurde immer wieder versucht, Spieler von größeren Klubs auszuleihen (heuer beispielsweise Denis Cheryshev und Víctor Ruiz), um kurzfristig die Qualität zu erhöhen und diese eventuell nach Leihende fix zu verpflichten (wie bei Sergio Asenjo). 

Das Ergebnis dieser Umstrukturierung ist, dass mit dem Einsatz geringer Mittel (der derzeitige Kader kostete insgesamt nur 34,70 Millionen Euro, weit weniger als bei der direkten Konkurrenz um den vierten Championsleagueplatz, nämlich Valencia und Sevilla) eine gute und noch dazu recht junge Mannschaft zusammengestellt werden konnte. Allerdings hat dieser Erfolg natürlich auch negative Auswirkungen; vor allem kann die Mannschaft bei ökonomisch passenden Angeboten relativ schnell wieder auseinanderfallen. Der kürzlich erfolgte Transfer von Gabriel Paulista zum FC Arsenal zeigt schon an, dass größere Klubs an einigen Akteuren Interesse haben. Luciano Vietto und Mateo Musacchio sind die nächsten Spieler, die mit einem Wechsel zu europäischen Topklubs in Verbindung gebracht werden.

Der zweite Erfolgsfaktor neben der Transferpolitik sitzt auf der Trainerbank und wurde ebenfalls in der zweiten Liga dort installiert. Marcelino García war mit Recreativo de Huelva und Real Zaragoza bereits vorher zweimal der Aufstieg in die höchste Spielklasse gelungen, dazu konnte er Racing Santander erstmals in der Klubgeschichte in den Europacup führen. Sein erstes Engagement bei einem größeren Klub, im Jahr vor seiner Bestellung bei Villarreal war er bei Sevilla tätig, endete jedoch nach nur einem halben Jahr aufgrund von Erfolglosigkeit. Bei Villarreal jedoch verpasste er dem Team ein klares Konzept, das auf einer stabilen Defensive und variablen, schnellen Kontern, vor allem durch die vier offensivsten Spieler, beruht. Die Grundformation und die Spielidee wurden seither beibehalten und lediglich in Details verfeinert. Nach der Auftaktniederlage gegen Real Madrid Castilla verlor das Team nur mehr ein Spiel und verbesserte sich vom siebten Platz bei Marcelinos Amtsantritt auf den zweiten am Saisonende, was den direkten Aufstieg in die erste Liga bedeutete.

Wie bereits erwähnt, funktionierte das Konzept auch nach dem Aufstieg in der obersten Liga gut. Die folgenden Zeilen sollen diese Spielanlage näher erläutern, mit Statistiken untermauern und durch einen Vergleich von Daten der Spiele in der Europa League auch in Relation zu jener von Salzburg setzen. Zwar finden sich zwischen beiden Teams einige Gemeinsamkeiten, allerdings sollte man sie doch nicht zu sehr gleichsetzen. Die Daten stammen von öffentlichen Quellen, hauptsächlich whoscored.com und squawka.com; das Bildmaterial kommt von laola1.tv. In allen Unterkapiteln außer dem zur Europa League beziehen sich die Daten lediglich auf die Ligaspiele.


2. Grundformation und allgemeine Spielanlage


Marcelino positioniert sein Team grundsätzlich in einem flachen 4-4-2 (siehe Graphik 1; alle Graphiken können durch Anklicken vergrößert werden), wobei die Spielerauswahl in der Liga meist konstant ist. Lediglich gegen starke Gegner wie Barcelona versucht er bisweilen, die Mitte zu verdichten und stellt hierfür einen dritten zentralen Mittelfeldspieler auf. Auch sonst ist er bei einigen Positionen recht flexibel; so spielt der nach vorne pendelnde Pina statt Trigueros, der die Linie hält und gegebenenfalls seine Mitspieler absichert, im Mittelfeld neben Soriano gegen Gegner, die man noch früher als sonst pressen will. Moi Gómez auf dem rechten Flügel wird hingegen eingesetzt, wenn das Flügelspiel forciert werden soll, da er ein athletischerer und auch dynamischerer Spieler als der meist nach innen dribbelnde Jonathan dos Santos ist.

Soriano ist der absolute Chef und Führungsspieler der Elf, und das zu Recht. Er ist grundsätzlich die erste Anspielstation im Spielaufbau, wobei er enorme Übersicht und Passqualität (mit 82% von insgesamt etwa 58 Pässen pro 90 Minuten hat er die höchste Erfolgsquote nach Innenverteidiger Dorado) beweist. Zuspiele auch über weite Distanzen kommen verlässlich beim Mitspieler an; selbst von weiten Pässen (länger als 23 Meter) bringt er 63% an den eigenen Mann, wobei er nur von Jonathan dos Santos übertroffen wird (72%), der es allerdings auch viel seltener versucht. Seine Stärke kommt auch zum Tragen, wenn er unter Druck gesetzt wird. Er ist als einer der wenigen Defensivspieler enorm pressingresistent und kann sich durch sein starkes Passspiel (natürlich ohne den Mitspieler durch ein ungenaues oder gefährliches Zuspiel in Gefahr zu bringen) oder Dribblings auch aus Unterzahlsituationen lösen. Nebenbei spielt er auch eine wichtige Rolle im Spiel gegen den Ball und der Strafraumverteidigung. Seine Erfolgsquote bei Tacklings (88%) ist innerhalb der Mannschaft unerreicht, die zweitmeisten abgefangenen gegnerischen Pässe und klärenden Aktionen (jeweils hinter dem abgegebenen Gabriel Paulista) runden das Bild eines beinahe perfekten Spielers ab. Dass er alle Elfmeter tritt, wenn er am Platz steht, wobei er eine 100%ige Erfolgsquote hat, und auch Freistöße in zentraler Lage ganz gut treten kann, sei da nur am Rande erwähnt. 

Er ist ein kompletter Spieler, der eigentlich keine signifikanten Schwächen hat. Dementsprechend ist sein mehrmonatiger verletzungsbedingter Ausfall eine massive Schwächung für Villarreal, da ihn auch keiner der sonst zur Verfügung stehenden Spieler auch nur annähernd ersetzen kann. Pina und Trigueros, die höchstwahrscheinlich die Doppelsechs bilden werden, sind wesentlich eindimensionalere Spieler als es Soriano ist und haben vor allem im Spielaufbau, der technischen Qualität, dem Passspiel und der Übersicht wesentliche Mängel im Vergleich zum Kapitän. Der Debütant vom Spiel bei Rayo Vallecano, Sergio Marcos, wird wohl für einen Startelfeinsatz in der Europa League noch nicht in Frage kommen.

Graphik 1: Grundformation vor dem Verkauf Gabriels und der Verletzung Sorianos. Statt den beiden werden Musacchio und Pina zum Einsatz kommen.

In der Copa und auch in der Europa League wird hingegen regelmäßig rotiert, wovon selbst Soriano nicht verschont blieb; so kamen Ersatztorhüter Juan Carlos und der junge Linksverteidiger Adrián Marín zu einigen Einsätzen auf internationaler Ebene. Antonio Rukavina wiederum kam in allen vier Außenpositionen, also sowohl in der Abwehr als auch im Mittelfeld, bereits zum Einsatz, während das Stammduo im Sturm ohne größeren Qualitätsverlust durch Giovanni dos Santos und Gerard Moreno ersetzt werden kann.

Von Interesse wird vor allem sein, wie der Abgang von Gabriel Paulista, der in Graphik 1 noch zu sehen ist, kompensiert werden kann. Der erste Ersatzmann wäre Mateo Musacchio, der jedoch erst von einer längeren Verletzung zurückgekehrt ist. Ein Teil der Einnahmen durch den Verkauf Paulistas wurden in die Verpflichtung des jungen Ivorers Eric Bailly investiert, der jedoch beim Afrikacup im Einsatz war und erst in die Mannschaft integriert werden muss. Der alternde Dorado wird im Normalfall nicht mehr oft zu sehen sein. Wie ernst Marcelino die Partien gegen Salzburg nimmt, zeigt die Tatsache, dass er zur schwierigen Auswärtspartie bei Rayo Vallecano am letzten Wochenende auf eine komplett umgekrempelte Startelf setzte, was bisher in der Liga nur selten geschah und auch prompt schief ging. Vietto, Trigueros und Cheryshev kamen erst im Laufe der zweiten Halbzeit in die Partie, konnten aber auch die sechste Saisonniederlage nicht mehr verhindern. Musacchio und Costa saßen während der gesamten Partie auf der Bank, Uche und Jonathan dos Santos wurden verletzungsbedingt zu Hause gelassen. Diese beiden werden wohl im Gegensatz zu Soriano gegen Salzburg aber spielen können

Nachdem man in Pflichtspielen von November bis Jänner ungeschlagen geblieben war, verlor man bereits drei von vier Partien im Februar. Davon waren zwar zwei gegen den FC Barcelona, der auch beide Male gefordert werden konnte, allerdings auch eine eher schwache Partie gegen den Abstiegskandidaten Granada, der im Finish alles nach vorne warf, um den Ausgleich zu erzielen, was Villarreal nach einer schwachen zweiten Halbzeit das entscheidende Kontertor in der Nachspielzeit ermöglichte. Ob die schwächeren Vorstellungen und Resultate der letzten Wochen grundsätzlich auf Ermüdung und ein vermindertes Leistungsvermögen zurückzuführen sind, oder lediglich der Stärke der Gegner (Barcelona) und der Rotationspolitik Marcelinos geschuldet sind, bleibt abzuwarten; Fakt ist, dass man in allen vier Februarspielen die unterlegene Mannschaft war, sowohl was Ballbesitz (was allerdings nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen für eine Umschaltmannschaft ist) als auch Schüsse auf das Tor betrifft.

Graphik 2: Stärken und Schwächen Villarreals laut der Webseite whoscored.com.

Neben der Startaufstellung ist auch die Spielanlage relativ uniform, wobei einige Spielerrollen durchaus je nach Gegner variiert werden können und das Team sich auch je nach Spielphase taktisch unterschiedlich verhält. Darauf wird in späteren Unterpunkten genauer eingegangen, während es im Folgenden um die generellen Muster geht. Graphik 2 zeigt allgemein die Stärken und Schwächen Villarreals laut der Webseite whoscored.com. Als wichtigste Stärke wird die Fähigkeit, Chancen zu kreieren, genannt. Tatsächlich zeigt sich, dass Villarreal von allen Teams der spanischen Liga am dritthäufigsten auf das gegnerische Tor schießt, wobei nur die beiden Topteams Real Madrid und Barcelona vor ihnen liegen. Fast 14 Schüsse pro Spiel gibt das Team von Marcelino ab. Davon gehen allerdings nur etwa 37% auch auf das gegnerische Tor, was ein eher durchschnittlicher Wert ist. Knapp 14% der Torschüsse enden mit einem Torerfolg, was hinter den beiden Topteams aus Madrid sowie dem FC Barcelona der viertbeste Wert der Liga ist. Dies mag auf den ersten Blick paradox erscheinen; einerseits trifft man vergleichsweise selten auf das Tor, aber recht oft ins Tor. Dies hängt allerdings mit zwei weiteren Charakteristika ihres Spiels zusammen: einerseits dem schnellen Umschalten nach Ballgewinn, andererseits den häufigen Schüssen aus weiten Positionen. So scheint die strategische Vorgabe zu sein, möglichst oft und schnell zu schießen, was natürlich die Schussqualität vermindert. Andererseits sorgt der Konterfokus dazu, dass bei Schüssen, wenn sie innerhalb der Gefahrenzone erfolgen, recht viel Platz vorhanden ist, was wiederum die Erfolgschancen steigen lässt. Dieses Phänomen, wonach Kontermannschaften tendenziell mehr Tore erzielen als erwartet, wurde kürzlich in einem anderen Blog bestätigt

Während der generelle Spielstil der Mannschaft sicher als Umschaltspiel bezeichnet werden kann, beherrscht sie jedoch auch den eher abwartenden Stil mit vielen Pässen und tiefer Ballzirkulation. So agiert sie tendenziell oft in den Anfangsminuten einer Partie, um die gegnerische Mannschaft aus der Reserve zu locken und etwaige Schwachstellen zu entdecken. Außerdem gibt es immer wieder zum Ende von Partien Phasen, in denen Mannschaft und/oder Trainer offensichtlich mit dem Ergebnis bereits etwa eine Viertelstunde vor Schluss zufrieden sind und versuchen, das Spiel über Ballkontrolle nicht mehr aus den Händen zu geben.

3. Angriffsspiel


Villarreal ist eine der am schnellsten umschaltenden Mannschaften der Primera División. Die etwa 31 Pässe, die man pro Schuss spielt, werden nur von Almería (28,83) und Real Madrid (30,06) unterboten. Auch insgesamt kommt man so auf sehr viele Abschlüsse; die 304 Torschüsse, die man bisher in der Meisterschaft auf das gegnerische Tor abgegeben hat, sind insgesamt die viertmeisten. Die beiden Topteams aus Madrid und Barcelona sind in dieser Hinsicht uneinholbar, allerdings hat man auf das drittplatzierte Celta de Vigo lediglich zwei Schüsse Rückstand. Dabei wird nicht unbedingt aus jeder Position darauf losgefeuert; man sucht durchaus gute Abschlusspositionen. Gut ein Drittel (37,17%) der Schüsse wurden von außerhalb des Strafraums abgegeben, was ein durchschnittlicher Wert ist. Dennoch schafft man es lediglich 12,17% der abgegebenen Schüsse auch in Tore zu verwandeln, der schlechteste Wert innerhalb der sechs bestplatzierten Teams der Liga.

Eine der Stärken des Teams liegt also auf jeden Fall im Umschaltspiel nach Ballgewinn. Das Um und Auf der Mannschaft ist auch in jenen Situationen Bruno Soriano, der als erste Anspielstation nach tiefem Ballgewinn fungiert. Von ihm aus geht der Ball entweder direkt in die Spitze (bevorzugt auf Uche) oder auf einen der beiden Außenspieler, die sich ursprünglich breit positionieren, um dann in die Mitte zu ziehen. Eher selten ist der direkte Versuch, den Ball aus dem zentralen Mittelfeld direkt hinter die gegnerische Abwehr zu spielen, worauf vor allem Vietto lauert. Wenn dies möglich, bedient sich eher Trigueros dieses Mittels, dessen Torschussvorlagen zu einem Drittel aus langen Pässen (über 23 Meter Länge) bestehen, was der mit Abstand höchste Anteil ist. Generell wird der Ball entweder zu Uche gespielt, der ihn an den lauernden Vietto oder einen der Außenspieler im Mittelfeld weiterleitet. Vietto wartet hingegen nicht nur darauf, steil geschickt zu werden. Vielmehr kann er ebenfalls auf die Flügel ausweichen, um mannorientierte Gegenspieler nach außen zu ziehen und so im Zentrum Platz für die einrückenden Außenspieler zu schaffen sowie gegebenenfalls auf Zuspiele auf den Flügel zu warten, oder auch sich eher zentral positionieren, Laufwege mit dem ballführenden Mitspieler kreuzen und sich im Halbraum als Anspielstation anbieten beziehungsweise auf Abschlussmöglichkeiten dort zu spekulieren. Insgesamt ist die Bewegung nach vorne der vier Stammspieler auf den offensivsten Positionen perfekt koordiniert und von präziser Diagonalität geprägt. 

Graphik 3: Heatmap aller Spieler im Ligaspiel bei Elche am 3.1.2015 (Endergebnis 2:2). Klar erkennbar der Rechtsfokus im Spiel nach vorne sowie die Intensität des Mittelfeldpressings.

Die beiden zentralen Mittelfeldspieler hingegen stoßen nach, sobald die vier Offensivkräfte ihren Angriffszug gestartet haben, und bieten sich entweder als sichere Anspielstation an, wenn die Optionen vorne ausgehen, oder versuchen sich selbst in den Angriff einzuschalten und bewegen sich in Löcher, die durch die Diagonalbewegungen der Offensivspieler entstanden. Vor allem Tomás Pina dringt immer wieder in den gegnerischen Strafraum ein, um am Angriff aktiv zu partizipieren (siehe auch die Darstellung und Erläuterungen zu Graphik 4). Insgesamt ist die Rolle der Sechser jedoch eher balancierend und absichernd, und die offensiven Verantwortungen liegen hauptsächlich bei den vier Offensivspielern. Dies zeigt sich auch in der Statistik; so sind Vietto, Cheryshev, Uche und G. dos Santos die einzigen vier Spieler, die pro neunzig Minuten Einsatzzeit auf zwei oder mehr Torschüsse kommen. Diese Spieler liegen auch bei den Torschussvorlagen ganz vorne, wobei in dieser Wertung auch Trigueros (1,7 Torschussvorlagen pro 90 Einsatzminuten) ganz hervorragend abschneidet.

Graphik 4: Angriffszug im Cupspiel bei Real Sociedad am 14.1.2015. Die Außenspieler im Mittelfeld Gómez und Nahual haben rochiert, Stürmer Giovanni ist nach außen abgekippt, zieht somit mehrere Gegenspieler auf sich und schafft freien Raum für Gómez. Damit nimmt er sich aber auch selbst erst einmal aus dem Angriff. Pina rückt schnell auf, partizipiert direkt im Angriff und dringt dann in den Strafraum ein, während Trigueros nachrückt. Im Zentrum warten der zweite Stürmer und der weit eingerückte zweite Außenspieler auf eine Hereingabe.

Im Spiel nach vorne ergibt sich ein klarer Zentrumsfokus, bedingt durch die Vertikalität des Spiels, die diagonalen Bewegungen der ursprünglich durchaus breit positionierten Außenspieler und die niedrig dosierte Einbindung der Außenverteidiger in das Offensivspiel. Ergebnis dessen ist, dass Villarreal 30% seiner Angriffe durch die mittlere Zone des Spielfelds vorträgt, was innerhalb der Primera División der zweithöchste Anteil nach dem FC Barcelona ist. Überlaufen der Offensivspieler durch die beiden Außenverteidiger findet bei Villarreal eigentlich gar nicht statt. Diese rücken im Ballbesitz zwar mit auf, bleiben allerdings grundsätzlich hinter dem Ball und sichern den Raum im Rücken der angreifenden Spieler ab. Die Rolle der Außenverteidiger ist zudem leicht asymmetrisch; während Rechtsverteidiger Mario Gaspar häufiger bis ins letzte Drittel vorstößt, legt Jaume Costa seine Rolle durchaus konservativer aus und bewegt sich häufig auch im eigenen Ballbesitz etwa auf einer Linie mit den Innenverteidigern. Graphik 5 beispielsweise zeigt einen Angriff Villarreal, bei dem die vier Mittelfeldspieler und die beiden Stürmer geschlossen teilnehmen, die Außenverteidiger jedoch nicht.

Graphik 5: Angriffszug im Spiel gegen Athletic Bilbao am 17.1.2015. Die beiden Stürmer sind mit blauen Punkten markiert, die Mittelfeldspieler mit roten. Diesmal ist Vietto nach rechts gerückt, Pina rückt in den so frei gewordenen Raum. Die Mannorientierungen Athletics sorgen dafür, dass Cheryshev (17) und Soriano (21) kurzfristig recht viel Platz zur Ballannahme und Weiterverarbeitung haben.

Diese Asymmetrie ist durchaus auch den Rollen der jeweiligen Partnerspielern der beiden Außenverteidiger geschuldet. Während Costa mit Cheryshev einen besonders häufig in Richtung Zentrum agierenden Spieler vor sich hat, spielt Gaspar entweder mit dem was direkte Läufe in den Strafraum angeht eher zurückhaltenden Jonathan dos Santos oder dem durchschlagskräftigen, aber eher weit bleibenden Moi Gómez. Deshalb kann er seiner Mannschaft durch seine hohe Positionierung im Angriffsspiel durch Herstellen lokaler Überzahlen nützlich sein, während Costa tendenziell darauf verzichtet, sich alleine im weitgehend verwaisten Raum auf seiner linken Seite zu bewegen. Dadurch entsteht ein leichter Rechtsfokus, der auch in Graphik 3 zu erkennen ist und erklärt, warum Mario Gaspar in puncto Torschussbeteiligung besser abschneidet als sein Pendant auf der Gegenseite. Dies schlägt sich auch bei der Effektivität nieder; so kommt Gaspar auf drei Ligatore und einen Assist in der heurigen Saison, während Costa noch gar nicht anschrieb und auch keine Torvorlage liefern konnte, obwohl die beiden was Torschussvorlagen anbelangt ziemlich gleichauf liegen.

Graphik 6: Das 1:0 im Spiel gegen Athletic. Paulista führt den Ball, kann allerdings keinen risikofreien Pass in das Mittelfeldzentrum spielen, was die erste Option wäre. Bilbao hat sich dazu zu kompakt im Mittelfeldpressing positioniert. Cheryshev löst die Situation, indem er sich kurzfristig nach hinten fallen lässt, wohin ihn Gegenspieler Marcos verfolgt. Uche steigt in das Spiel ein und läuft schräg nach außen, wohin ihn der Innenverteidiger Etxeita begleitet. So entsteht freier Raum (dunkelrot markiert), in den Cheryshev vorstoßen kann und in den Paulista auch den weiten Ball spielt. Bilbao müsste entweder die Formation strikter einhalten, oder Cheryshev schneller an San José im Zentrum übergeben, der den Russen nicht mehr einholen kann. Dass dieser ein sehr guter Spieler ist, zeigt er in der folgenden Ballannahme, der Umkurvung des gegnerischen Tormanns und dem Abschluss aus schwierigem Winkel.
 
Die Innenverteidiger ihrerseits sind in das Offensivspiel kaum eingebunden, was sich auch statistisch in niedrigen Werten bei Torschuss- und Torbeteiligungen niederschlägt. Dies liegt auch daran, dass sie über kein überragendes Passspiel über größere Distanzen verfügen. Die drei Innenverteidiger mit den meisten Einsätzen bringen insgesamt nur knapp über die Hälfte der langen Bälle an den eigenen Mann, wobei Paulista mit 58% noch die beste Quote hatte. Deshalb beschränken sie sich meist darauf, kurze Pässe zu einem der beiden zentralen Mittelfeldspieler zu spielen, die ihrerseits den Angriff nach vorne tragen, entweder durch die erwähnten vertikalen Zuspiele oder durch Dribblings in freie Räume, wenn Pässe zu gefährlich wären. 

Lediglich wenn die gegnerische Mannschaft sehr gut organisiert steht, die Räume im Mittelfeld sehr eng macht und so das Umschaltspiel Villarreals bremst, sorgen auch die Innenverteidiger für das Offensivspiel; entweder durch das Führen des Balles in höhere Räume, oder durch lange Pässe in den Rücken der Abwehr, wie in Graphik 6 dargestellt, wofür man jedoch auch selbst anfällig ist.
  

4. Defensivverhalten


Systematisches Gegenpressing setzt Villarreal eher selten ein, und wenn, dann dient es weniger unbedingt der hohen Balleroberung mit dem Ziel, die aufgelöste Ordnung des Gegners auszunützen und schnell zum Torabschluss zu kommen. Vielmehr setzt man darauf, nach einem Ballverlust in der gegnerischen Hälfte Zeit zu gewinnen. Der ballnahe der vier offensiven Spieler versucht, den ballführenden Gegenspieler unter Druck zu setzen und ihm den direkten Weg zum Tor abzuschneiden. Gewisse Passwege, wie beispielsweise vom Außenverteidiger zum Innenverteidiger, werden dabei bewusst freigelassen, um das Spiel in die Breite zu lenken. In der Zwischenzeit lassen sich die Viererkette und die beiden defensiven Mittelfeldspieler weit nach hinten fallen, bis der Abstand zwischen Tormann und Abwehr sicher ist. Dadurch soll die Kontergefahr erstickt werden, die durch die hohe Positionierung der eigenen Abwehr (bis zur Mittellinie) im eigenen Ballbesitz virulent ist und auch durchaus zu Gegentoren führt. 

Graphik 7: Defensivverbund im Spiel bei Málaga am 10.1.2015. Auffällig die enge Stellung der Viererkette und die tiefe Positionierung der Doppelsechs, die dem Gegner beinahe gar keinen Zwischenlinienraum lässt. Cheryshev ist in der Situation durch einen Sturz etwas aus der Position, was nicht durch einen Mitspieler ausgeglichen wird.
 
Gewisse Situationen führen jedoch durchaus auch zu gezieltem, aggressivem Gegenpressing. Dazu zählen technische Fehler wie mangelhafte Ballannahmen und ungenaue Pässe des Gegners unmittelbar in der Umschaltphase, die jedoch nicht systematisch zu erzwingen versucht werden. Nach Offensivstandards ist Gegenpressing hingegen beinahe Pflicht, da auch die Defensivspieler aufrücken und dementsprechend die Restverteidigung riskant ist. Dazu kommt, dass viele Gegner in der spanischen Liga besonders bei Ecken und Freistößen oft relativ planlos klären und versuchen den Ball vom Tor wegzubekommen, weshalb nach einem erneuten Ballverlust im Strafraum die Ordnung komplett aufgelöst ist. Diese Situationen nützt Villarreal systematisch, um zu Torabschlüssen zu kommen. 

Graphik 8: Pressingsituation im Spiel bei Málaga am 10.1.2015. Die Stürmer und Cheryshev verhindern den kurzen Pass ins Zentrum, lediglich der Pass nach hinten, der hohe Ball und der nach außen bleiben offen. Die drei verbleibenden Mittelfeldspieler verschieben entsprechend horizontal in Richtung des ballführenden Spielers, um Cheryshev abzusichern.
 
Das übliche Mittel ist allerdings wie erwähnt eine Hinhaltetaktik, um zuerst die sechs defensiveren Spieler in die enge und tiefe Grundformation zu bekommen und dann erst zu versuchen, den Ball zu erobern (siehe Graphik 7). Dazu wird der ballführende Gegenspieler, meist der Innenverteidiger oder Sechser, vom ballnahen Stürmer so angelaufen, dass nur entweder der Pass nach hinten, der hohe Ball nach vorne oder das Spiel über außen als Optionen bleiben. Sonstige, zentraler positionierte Mitspieler werden durch den Sturmpartner des pressenden Angreifers sowie die Mittelfeldspieler aus dem Spiel genommen (Graphik 8). Wenn dann der Ball hoch nach vorne gespielt wird, bewegen sich die beiden Viererketten kollektiv nach hinten, wobei sich die Auenspieler im Mittelfeld etwas weiter vorne positionieren als die Sechser, während von den beiden Stürmern in dieser Situation keine Defensivbeteiligung mehr erwartet wird. Beim Spiel über außen wird hingegen nicht aktiv attackiert, lediglich Cheryshev versucht sich bisweilen unkoordiniert im diagonalen Rückwärtspressing, was durch seine Dynamik auch teilweise zu Balleroberungen führt. So kommt er unter den regelmäßig eingesetzten Spieler auf die meisten versuchten Balleroberungen, obwohl die objektiv meisten Balleroberungen dann doch den Abwehrspielern gelingen (vor allem Mario Gaspar, Costa und Musacchio). Sonst wird der Flügelraum generell dem Gegner überlassen. Die Viererkette positioniert sich zentral und recht eng, erst bei Eindringen in die Halbräume beginnt der Außenverteidiger, den gegnerischen Spieler unter Druck zu setzen. Herausrücken lassen sich die Innenverteidiger nur recht selten, beispielsweise um hohe und lange Pässe zu klären. Wenn dies allerdings geschieht, ist die Mannschaft oft in der hintersten Linie massiv ungeordnet, was theoretisch für Gefahr sorgen kann. Auch die beiden Sechser rücken nicht zu weit hinaus, sondern bilden ein Tandem, das in erster Linie der Strafraumverteidigung dient. 

Graphik 9: Szene im Spiel gegen Athletic Bilbao am 17.1.2015. Villarreal lässt viel Raum (dunkelrot markiert) im Zentrum und den Halbräumen, den Bilbao durch die hohe Stellung der Achter, den außen bleibenden Flügel und den nicht aufrückenden Sechser nicht ausnützt und der dementsprechend verwaist bleibt.

Durch dieses abwartende, nach hinten fallende Spiel gegen den Ball, das teilweise Verteidigen nach außen durch die beiden äußeren Mittelfeldspieler bei gleichzeitiger tiefer und enger Positionierung der Außenverteidiger und die marginale Rolle der Stürmer im Abwehrverhalten entsteht zwischen den Sechsern und den Stürmern im Zentrum und den Halbräumen oft viel freier Raum, den gegnerische Mannschaften nützen können (Graphik 9). Dennoch ist es beileibe nicht einfach, gegen Villarreal zu spielen, was die viertmeisten abgefangenen Bälle und die achtmeisten klärenden Aktionen (die grundsätzlich eher von schwächeren Teams durchgeführt werden müssen, da sich der Ball häufiger in ihrer Gefahrenzone befindet) unterstreichen. Villarreal ist grundsätzlich recht zufrieden damit, in der eigenen Hälfte zu verteidigen, solange der Weg in den Strafraum durch die Viererkette und die defensiven Mittelfeldspieler versperrt ist. Dadurch schafft man es zwar nicht allzu häufig, den Gegner vom Torschuss abzuhalten (11,8 gegnerische Torschüsse pro Spiel sind nur ein durchschnittlicher Wert), allerdings sind diese Abschlüsse häufig aus ungünstiger Position, weil die Strafraumverteidigung sehr gut funktioniert, was die Erfolgschancen der gegnerischen Torschüsse natürlich deutlich vermindert (50% der gegnerischen Torschüsse werden von außerhalb des Strafraums abgegeben, gemeinsam mit Sevilla der beste Wert in der gesamten Liga). Deshalb hat Villarreal gemeinsam mit den beiden Madrider Teams die drittwenigsten Gegentore der Liga bekommen (22).

5. Standardsituationen


Offensive Standards sind relativ unspektakulär. Ecken und Freistöße vom Flügel und solche, die zu weit entfernt für einen Direktschuss sind, werden meist hoch in den Raum zwischen Fünfmeterraum und Elfmeterpunkt gespielt mit dem Ziel, direkt zum Torabschluss zu kommen. Verantwortlich für die Ausführung dieser Standards sind Trigueros und Jonathan dos Santos, wobei letzterer durchaus hin und wieder versucht, verschiedene Varianten zu einzusetzen, beispielsweise kurze Eckbälle oder ein hoher Ball an das nahe Fünfereck, wo der Ball weitergeleitet werden soll, was allerdings oft nicht besonders genau einstudiert wirkt. Nur 7 Tore aus Standardsituationen und circa 24% der abgegebenen Schüsse im direkten Anschluss an Standards sind dementsprechend eher durchschnittliche Werte.

Graphik 10: Defensivverhalten bei Eckball (links), Freistoß (Mitte) und Einwurf (rechts). Auffällig ist die personelle Überzahl und die Mannorientierungen im Strafraum, die durch zusätzliche Raumdecker unterstützt werden.

Wie im allgemeinen Defensivverhalten ist auch das Verteidigen von Standards dagegen sehr gut internalisiert. Dabei wird versucht, dem Gegner durch massive personelle Überzahlen keine Möglichkeit zu geben, zum Abschluss zu kommen (siehe Graphik 10 für Beispiele bei Ecke, Freistoß und Einwurf). Dafür werden alle im Strafraum befindlichen Gegenspieler manngedeckt, dazu besetzen mindestens drei Spieler den Raum vor und um den Fünfmeterraum. Dazu positionieren sich dafür nicht benötigte Spieler am Strafraum, um zu kurz geratene Klärungsaktionen weiter zu bereinigen. Dementsprechend befinden sich oft alle zehn Feldspieler bei defensiven Standards im eigenen Strafraum, was natürlich die Möglichkeiten, nach Abwehr des Balles direkt zu kontern, einschränkt. Dafür erhöht es die Stabilität und lässt den Gegnern kaum Möglichkeiten, durch Standards zum Torabschluss zu kommen.   

6. Europa League und der Vergleich mit Salzburg

 
Bislang wurden die Daten Villarreals nicht direkt mit jenen Salzburgs verglichen, was auf zwei Gründe zurückgeht: Einerseits sind unter Umständen die Daten aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden nicht vollständig vergleichbar (obwohl sowohl die Daten der österreichischen Bundesliga als auch die von Whoscored von der Firma Opta bereitgestellt werden), andererseits sind die beiden Ligen natürlich von der Qualität der Gegner völlig unterschiedlich, was die Aussagekraft direkter Vergleiche in Frage stellt. Deshalb werden im Folgenden lediglich Leistungsdaten aus den sechs Gruppenspielen der Europa League verglichen, da hier mit leichter mit ceteris paribus-Annahmen gearbeitet werden kann. Die Gegner beider Teams sind eher auf eine Stufe zu stellen (die Gegner von Villarreal hatten vor der Saison einen durchschnittlichen Klubkoeffizienten von 17,54, jene von Salzburg einen von 22,56, wobei Villarreal selber mit 53.54 etwas besser abschneidet als Salzburg mit 46,19). Der Nachteil dabei ist, dass die Daten auf Durchschnittswerten von nur sechs Spielen beruhen, was sie anfälliger für Ausreißer macht. Den Klubfarben entsprechend steht der gelbe Balken jeweils für Villarreal und der rote für Salzburg.

Graphik 11: Vergleich der Schussstatistiken.

Salzburg hat in der Gruppenphase sowohl mehr Tore erzielt als auch mehr Punkte als Villarreal erreicht, wobei wiederholt werden muss, dass Trainer Marcelino in der Gruppenphase nicht jedes Spiel mit der besten verfügbaren Mannschaft bestritt. Diese Überlegenheit zeigt sich auch bei einem Vergleich der Schüsse, die von den Teams jeweils insgesamt abgefeuert wurden. Insgesamt gab Salzburg 46 Schüsse mehr auf das gegnerische Tor ab als Villarreal, was einem Unterschied von beinahe acht Schüssen pro Spiel entspricht. Dabei sind die Spanier insgesamt etwas effizienter; bei ihnen landete genau ein Fünftel der Torschüsse im gegnerischen Netz, bei Salzburg 17%, was allerdings auch noch ein guter Wert ist. Diese Genauigkeit ist auch der Schussposition geschuldet; Villarreal gab mehr als zwei Drittel der Schüsse von innerhalb des Strafraums ab, Salzburg nur etwas mehr als die Hälfte. Beide brachten etwa die Hälfte ihrer Schüsse auch auf das gegnerische Tor, wobei allerdings Villarreal besser zielte: 41,67% dieser Schüsse endeten mit einem Torerfolg, während Salzburg in dieser Wertung nur auf 33,3% kommt. Keinen signifikanten Unterschied gibt es bei den zugelassenen Torschüssen, hier liegt Villarreal zwei Schüsse besser als Salzburg, was vernachlässigbar ist.

Graphik 12: Vergleich der Passstatistiken, Teil 1.

Beide Teams legen nicht unbedingt viel Wert auf Ballbesitz per se, was sich in niedrigen Ballbesitzzeiten widerspiegelt. Mit 52,5% (Villarreal) beziehungsweise 51% (Salzburg) liegen die Teams bei vergleichbaren Werten auf Rang 20 und 22 der Ballbesitztabelle aller 48 an der EL-Gruppenphase teilnehmenden Teams. Bei den gespielten Pässen liegt Villarreal mit 3170 (siehe Graphik 12) zwar auf Rang Fünf aller Teams, lässt allerdings auch recht viele gespielte Pässe zu (3010), was den Fokus auf Strafraumverteidigung und das Überlassen der gegnerischen Hälfte und der Flügelräume an die gegnerische Mannschaft unterstreicht. Salzburg hingegen spielt wenige Pässe, was den schnellen Umschaltfokus unterstreicht, lässt allerdings auch wenige zu, versucht den Ball also schneller zurückzuerobern. Interessanterweise lässt man etwas mehr Pässe zu, als man selber spielt. Dieses Verhältnis ist vor allem auf die beiden Partien gegen Dinamo Zagreb zurückzuführen, das sehr viel Wert auf ein sauberes und schnelles Passspiel ohne große Hast im Spiel nach vorne legt.

Graphik 13: Vergleich der Passstatistiken, Teil 2.

Die Unterschiede zwischen den Teams zeigen sich auch bei der Passquote und dem Anteil der kurzen Pässe (unter 23 Meter Länge) an allen gespielten Pässen, zwei Kategorien, die logischerweise miteinander korrelieren, da kurze Pässe eben wahrscheinlicher beim eigenen Mann landen als lange (das Bestimmtheitsmaß bei allen 48 Teams der Europa League zwischen diesen beiden Kategorien beträgt 0,54, was eine hohe Korrelation ausdrückt). Villarreal spielt sowohl insgesamt als auch relativ mehr kurze Pässe als Salzburg, und bringt auch etwa 15 von 100 Pässen mehr an den eigenen Mitspieler als Salzburg (siehe Graphik 13). Dies weist darauf hin, dass das Salzburger Umschaltspiel noch etwas schneller und riskanter ist als jenes von Villarreal. Das intensivere Pressing der Salzburger wiederum bewirkt, dass die gegnerischen Teams weit weniger erfolgreiche Pässe spielen als jene von Villarreal, die erst weit in der eigenen Hälfte aktiv das Passspiel des Gegners zu unterbinden suchen. 

Graphik 14: Vergleich des Umschaltspiels und des horizontalen Fokus.

Dass die Salzburger noch etwas schneller umschalten als Villarreal, zeigt auch Graphik 14. Die Salzburger kommen durchschnittlich nach etwa gespielten 21 Pässen zum Torabschluss, während Villarreal etwa doppelt so viele benötigt. Beide Mannschaften spielen jedoch vergleichsweise häufig durch die Mitte; die Prozentsätze reichen für den zweiten (Villarreal) beziehungsweise vierten (Salzburg) Rang im Ranking aller 48 EL-Teilnehmer.

Graphik 15: Vergleich ausgewählter Defensivstatistiken.

Zum Schluss sollen noch einige Defensivstatistiken verglichen werden. Insgesamt ist es relativ schwierig, daraus Schlüsse zu ziehen. Man weiß bisher noch wenig darüber, welche davon überhaupt von Belang sind. Offensichtlich gibt es viele Möglichkeiten, den Gegner vom Torerfolg abzuhalten, und Teams benützen diese Möglichkeiten in verschiedenen Ausmaßen. Graphik 15 zeigt, dass Villarreal und Salzburg beinahe gleich häufig gegnerische Pässe abfangen, was etwas im Widerspruch steht zum Befund, dass Salzburg eine weit niedrigere gegnerische Passquote zulässt als Villarreal. Dies erklärt sich unter Umständen dadurch, dass Salzburg weit häufiger versuchte, den Gegner direkt unter Druck zu setzen, und nicht nur die Passwege zustellt. Die 289 Tacklings (definiert als Versuch, einen Gegner vom Ball zu trennen) in den sechs Spielen der Gruppenphase sind der mit Abstand höchste Wert aller 48 Teams. 36% der Versuche waren auch erfolgreich, was dem zweithöchsten Wert hinter Partizan Belgrad entspricht. Villarreal hingegen ist sowohl was die Anzahl der versuchten Tacklings als auch ihre Erfolgsquote anbelangt ziemlich genau im Durchschnitt aller Teams. Salzburg schafft es auch öfter als Villarreal, gegnerische Angriffe zu stören oder ganz abzubrechen, wobei die Anzahl an klärenden Aktionen beider Teams unterdurchschnittlich hoch ist. Insgesamt ist die höhere Notwendigkeit defensiver Aktionen für Salzburg jedoch nicht überraschend, wenn man an die höhere Anzahl an verlorenen Bällen durch die niedrigere Passquote denkt. 
 

7. Fazit: Was Salzburg tun kann


Es ist unheimlich schwierig, gegen Villarreal Tore zu erzielen. Die Mannschaft lässt ihren Gegnern kaum Möglichkeiten, um in gefährlichen Zonen zu Torschüssen zu kommen, und muss dementsprechend wenige Gegentore hinnehmen. Es gibt allerdings einige Möglichkeiten, um die engmaschige und kompakte Defensive Villarreals auszuhebeln und doch für Gefahr zu sorgen.

Salzburg muss unbedingt versuchen, möglichst schnell ins Gegenpressing zu kommen. Durch das schnelle Umschalten sind die Gegenstöße Villarreals nach Ballgewinn oft tödlich, und müssen einerseits möglichst schnell gestoppt werden. Andererseits sind die Defensivspieler Villarreals (mit Ausnahme des verletzten Brunos) nicht sonderlich pressingresistent und können sich unter Druck oft nur mehr mit hohen Befreiungsschlägen behelfen. Außerdem entstehen so natürlich eigene Tormöglichkeiten, beispielsweise der Anschlusstreffer Elches entstand, als Costa im Mittelfeld angepresst wurde und den Ball verlor, was Elche zum sofortigen Gegenangriff gegen die entblößte Hintermannschaft Villarreals ausnützte.

Allerdings kann man auch tiefere Ballgewinne, wenn Villarreal schafft, die erste Pressingwelle Salzburgs zu überspielen, gut ausnützen, wenn es wirklich schnell geht. Dabei wird ausgenützt, dass die gesamte Abwehrlinie kollektiv oft bis an die Mittellinie aufrückt und Asenjo weniger ein mitspielender Tormann ist, also viel Raum im Rücken der Abwehr entsteht. Da darf man sich dann auch nicht zu schade sein, einen hohen, weiten Ball hinter die Abwehr zu spielen und auf die Schnelligkeit der Offensivspieler zu vertrauen. Dementsprechend wäre vielleicht Sabitzer als zweite Sturmspitze neben Soriano eher die erste Wahl als Djuricin. Málaga gelang gegen Villarreal so ein Tor, als Antunes nach Ballgewinn im eigenen Abwehrdrittel mittels Steilpass Amrabat einsetzte, der Asenjo nur noch zu überheben brauchte.

Obwohl Villarreal unheimlich stark verteidigt, lassen sie in bestimmten Zonen bewusst Räume frei (siehe auch Graphik 9 weiter oben). Diese Räume vor oder neben der Doppelsechs können von nach vorne stoßenden Mittelfeldspieler oder sich fallen lassenden beziehungsweise leicht seitlich abkippenden Stürmern bespielt werden, wenn die Ballzirkulation in diesen Bereichen schnell ist, und für Pässe in die Schnittstellen ausgenützt werden. Jonatan Soriano und Massimo Bruno bieten sich für diese Art von Spielzügen aus dem Salzburger Spielermaterial besonders an. In dieser Hinsicht wäre unter Umständen eine Rückkehr zur im Herbst praktizierten Raute wegen der Absicherung im Zentrum und der Hilfestellung durch aufrückende Achter vorteilhafter als das im Spiel gegen Wr. Neustadt angewandte flache 4-4-2. Real Sociedad hat im Rückspiel der Copa vorgezeigt, wie man diese freien Räume zum Torerfolg gegen Villarreal ausnützen kann (siehe Graphik 16).

Graphik 16: Tor von Esteban Granero im Cupspiel bei Real Sociedad am 14.1.2015. Carlos Vela hat sich etwas seitlich der Doppelsechs positioniert, wo er den Pass von Granero erhält. Die beiden Sechser können keinen Druck mehr auf ihn ausüben, weshalb die beiden Innenverteidiger herausrücken. Die Viererkette (schwarze Linie) ist deshalb komplett aus der Formation gerissen und entblößt freien Raum (dunkelrot markiert) in ihrem Rücken, in den Granero (roter Pfeil = Laufweg) vorstößt. Dort nimmt er den Doppelpass (blauer Pfeil), den Vela in der Zwischenzeit aufgrund seiner freien Position relativ unbedrängt spielen konnte, volley und schießt den letztlich bedeutungslosen Ausgleich.

Auch das Tor von Lionel Messi am vorletzten Wochenende entspricht in etwa diesem Muster. Gleich vier Spieler Villarreals, die beiden Innenverteidiger und die beiden zentralen Mittelfeldspieler, versuchen dabei, den ballführenden Suárez unter Druck zu setzen. Dadurch entsteht freier Raum im Zentrum knapp außerhalb des Strafraums, also in der möglicherweise wichtigsten Zone des gesamten Spielfelds. Suárez schafft es, den Ball kurz mitzunehmen und in eben diesen Raum zu spitzeln, in den Messi vorstößt und vollstreckt. 

Ein etwas weniger effektives Mittel könnten Fernschüsse, vor allem aus dem Halbraum, sein. Auch hier werden die freien Räume außerhalb des Strafraums ausgenützt. Allerdings sind Fernschüsse durch die höhere Entfernung generell nicht besonders erfolgsversprechend; außerdem wird Villarreal wenig freie Schussbahnen lassen, dazu ist Asenjo ein guter Tormann auf der Linie. 

Zwei weitere Faktoren werden im Spiel ohne Ball essentiell sein: Einerseits gilt es zu vermeiden, den Fehler zu machen, wie ihn beispielsweise Athletic Bilbao im oben besprochenen Tor begeht, und den Gegenspieler zu lange mannorientiert zu verfolgen. Dies ermöglicht Villarreal gerade erst, seine gefährlichen Diagonalläufe zum größtmöglichen Schaden des Gegners einzusetzen. Und sollte schon ein Defensivspieler aus der Position herausrücken, muss die entstandene Lücke unverzüglich von einem Mitspieler geschlossen werden, aber das ist ohnehin Standard.

Dazu gilt es, sich gegen weite Bälle hinter die Abwehr zu wappnen, die angesichts der grundsätzlich hohen Positionierung der Salzburger Viererkette nicht allzu unwahrscheinlich sind. In dieser Hinsicht wird die Anti- und Partizipation von Torhüter Gulacsi enorm wichtig sein, um gefährliche 1:1-Situationen zwischen ihm und einem Gegenspieler im Keim zu ersticken. 

Dienstag, 10. Februar 2015

Das zweite Jahr ist eben nicht das schwierigste

In einer auch sonst nicht allzu guten Vorschau auf die Frühjahrssaison des SV Grödig kam er an prominenter, nämlich erster Stelle. Ein Satz, der in seiner Banalität an viele andere Klischees im Fußball erinnert, und wie die meisten dieser Klischees nicht auf der Realität beruht, sondern darauf, oft genug im medialen und öffentlichen Diskurs wiederholt worden zu sein, sodass er mittlerweile zu einem Standardsatz geworden it. Die Rede ist von der Auffassung, wonach das zweite Jahr in der Bundesliga für den Aufsteiger "bekanntermassen" das schwierigste sei. Schon das Wort bekanntermassen zeigt an, wie sich dieser Satz mittlerweile durch ständiges unreflektiertes Wiederholen verselbstständigt hat.

Nun ist der Vorteil an Banalitäten, dass sie relativ einfach überprüfbar sind (dass es offensichtlich noch nie jemand getan hat, ist eine andere Geschichte). Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage kann ganz einfach mittels einer vergleichenden Untersuchung des sportlichen Abschneidens der Aufsteiger in den Jahren nach dem Aufstieg in die Bundesliga überprüft werden. Dafür sind weder besondere Kenntnisse noch anspruchsvolle statistische Methoden vonnöten. 

Dabei zeigt sich, dass zwar die Aufsteiger durchaus im zweiten Jahr weniger Punkte einfahren als im ersten Jahr in der Bundesliga, ein Schicksal, das natürlich auch dem SV Grödig bevorsteht. Die Leistung ist im zweiten Jahr ist also durchaus schwächer als im ersten Jahr; dies liegt aber nicht notwendigerweise daran, adss das zweite Jahr per se schwieriger sei. Viel eher ist der Grund dafür die massive Overperformance der Aufsteiger im ersten Jahr, die eben schwierig bis unmöglich beizubehalten ist. Die Gründe für das starke Abschneiden können unterschiedlicher Natur sein und reichen von einer ungewohnten Spielweise, die den etablierten Teams Probleme bereitet, über die individuelle Qualität zummindest einiger Spieler bis zur Euphorie, die mit dem Gewinn der zweiten Liga und dem Aufstieg in die erste verbunden ist. 

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Diese Vorteile gehen naturgemäß nach dem ersten Jahr Schritt für Schritt verloren; die Gegner stellen sich besser auf die Spielanlage ein, Schlüsselspieler werden abgeworben, teilweise gehen auch die Trainer verloren und die Euphorie verfliegt. Dies alles macht das zweite Jahr potentiell schwieriger. Wenn es allerdings tatsächlich das schwierigste wäre, würden auch hin und wieder ein Team im zweiten Jahr nach dem Aufstieg wieder in die zweithöchste Spielklasse absteigen. Dem ist aber einfach nicht so. Seit Einführung der Dreipunkteregel ist kein einziges Team im zweiten Jahr nach dem Aufstieg wieder abgestiegen, wie auch obige Graphik beweist.

In ihr sind alle Absteiger seit der Saison 1999/2000 dargestellt sowie die Anzahl an Saisonen, die das Team jeweils in der obersten Spielklasse verbracht hatte. Vor diesem Zeitraum gab es zwei Anomalien; einerseits stieg die Admira 1998 zum ersten Mal überhaupt ab, und 1999 musste mit Steyr der erste und einzige Aufsteiger direkt wieder den Gang nach unten antreten. Allerdings gab es auch davor niemals (zumindest seit Einführung der Dreipunkteregel) eine Mannschaft, für die das zweite Jahr in der Bundesliga das letzte war.

Die blaue Linie zeigt den Durchschnittswert an Saisonen vor dem Abstieg in der Bundesliga aller Teams, die in diesen fünfzehn Spielzeiten abgestiegen sind. Er liegt bei knapp sechs Saisonen, wird allerdings von drei Ausreißern nach oben getrieben. Das zeigt der Medianwert (also der, unter und über dem jeweils 50% der Fälle liegen), der für die gesamte Periode nur 4 beträgt. Die Ausreißer sind allerdings relativ einfach erklärt. 2002 und 2007 traf es mit dem FC Tirol und dem GAK Teams nicht aus sportlichen, sondern finanziellen Gründen; beide bekamen für die folgende Spielzeit keine Lizenz mehr. Der SV Mattersburg hatte 2013 hingegen einfach Pech; die 35 Punkte, mit denen er auf Rang 10 landete, reichten in der Dreipunkteära meistens locker zum Klassenerhalt, oft sogar für Platz 8. Lediglich die SV Ried stieg 2003 mit noch mehr Punkten (38) ab.

Allerdings scheint sich ein gewisser Trend einzustellen. Wenn man Mattersburg einmal ausklammert, sind nach 2007 nur Teams abgestiegen, die drei oder vier Saisonen in der Bundesliga verbracht hatten. Der Durchschnittswert in diesen sieben Saisonen beträgt nur mehr 4.6, während er sich für die acht früheren Jahre 6.6, also fast genau zwei Saisonen mehr, beläuft. Es scheint also durchaus schwieriger zu werden, sich mittelfristig in der Bundesliga zu etablieren. Aus den Daten folgt allerdings, das eben nicht das zweite, sondern das dritte und vierte Jahr in der Bundesliga die schwierigsten sind.

Das sind einigermaßen schlechte Nachrichten für die Admira (im vierten Jahr Bundesliga, im dritten Jahr trotz Punkteabzugs jedoch relativ komfortabel drinnen geblieben), wobei solche Trends natürlich auch den Ausgang der Saison nicht automatisch vorherbestimmen. Immer noch ist es wahrscheinlicher, dass Wiener Neustadt absteigt (sechstes Bundesligajahr), und damit der Trend wieder etwas reversiert wird. Dass es nämlich den Klub im dritten Jahr erwischt, ist hingegen beinahe unmöglich. Zu gut hat sicher der WAC verstärkt, und deshalb auch eine fast tadellose Hinrunde hingelegt. Man kann also durchaus etwas gegen den Trend unternehmen, was vor allem für Grödig angesichts der sich abzeichenden Abgänge für den Sommer im nächsten Jahr auch von eminenter Bedeutung sein wird. Dass es sie noch heuer erwischt, ist hingegen beinahe auszuschließen. Weil das zweite Jahr eben nicht das schwierigste ist.