Montag, 12. Juni 2017

Mit dem Rücken zur Wand

Mit dem 1:1 gestern Abend in Dublin haben sich die Chancen der österreichischen Nationalmannschaft, sich für die nächstjährige Weltmeisterschaft zu qualifizieren, nicht unbedingt erhöht. Anstatt an die Iren punktemäßig näher heranzukommen und das Remis zwischen den beiden anderen Rivalen Serbien und Wales auszunützen, hängt man nach dem erneuten Punkteverlust weiter im Mittelfeld der Gruppe D fest. 

Damit wird es jetzt endgültig knapp. Zwar ist das Erreichen eines der beiden vorderen Plätze (einmal abgesehen von der Notwendigkeit, nicht der schlechteste der neun Gruppenzweiten zu werden und ungeachtet eines möglichen Outs im Play Off) weiterhin im Bereich des Möglichen, vor allem auch aufgrund des weiterhin nicht angewachsenen Abstands zu den Plätzen eins und zwei. Allerdings sollte das Team schnell damit anfangen, Spiele zu gewinnen, und im besten Fall in der laufenden Quali damit auch nicht mehr aufhören, wie ein Blick auf die Daten zeigt.

Ich habe für eine eingehendere Analyse alle Sechsergruppen aus den Qualifikationen zu den Weltmeisterschaften 1994 - 2014 herangenommen, um herauszufinden, wie viele Punkte nötig sein werden, um mit ausreichender Wahrscheinlichkeit (sagen wir einmal 50% oder höher) einen der beiden ersten Plätze zu belegen. Insgesamt handelt es sich dabei um 34 Qualifikationsgruppen, abhängig vom Turnier zwischen vier und acht. Die Punkteanzahl bei der Qualiphase für das Turnier 1994 habe ich auf die Dreipunkteregel umgerechnet. 

Ein deskriptiver Blick auf die Daten zeigt dabei, dass die notwendigen Punkte enorm von der Zusammensetzung der Gruppe abhängen. So reichten Dänemark in der Quali 2014 16 Punkte für den zweiten Rang (allerdings nicht für das Play-Off), während Schweden 1997 mit 21 Punkten nur den dritten Platz belegen konnte (hinter Österreich und Schottland, das damals als bester Gruppenzweiter fix zur WM 1998 nach Frankreich fahren durfte). Tendenziell reicht eine derart niedrige Punkteausbeute (mit 17 Punkten konnten sich beispielsweise die Ukraine 2001 sowie Kroatien und Island 2013 für die Barrage qualifizieren) allerdings nur in Gruppen mit einem dominanten Sieger, der Raum dafür lässt, mit relativ wenigen Punkten "Best of the Rest" zu werden. 

Graphik 1 zeigt, wie dieser Zusammenhang konkret ausgeprägt ist. Man kann eindeutig eine kurvilineare Beziehung (die blaue Linie zeigt die LOESS-Regressionsgerade) zwischen der Anzahl der Punkte, die der jeweilige Gruppensieger holte, und jenen des Gruppenzweiten erkennen. In Gruppen mit schwachen Gruppenersten (bis 22 Punkte) reichen tendenziell wenige Punkte,  im Schnitt 19 bis 20, für den zweiten Gruppenplatz. Bei stärkeren Gruppensiegern (mit 23, 24 oder 25 Punkten nach zehn Spielen) sind im Schnitt über 21 Punkte nötig, um sich den zweiten Platz der Gruppe zu sichern. Bei Gruppen mit sehr starken Gruppensiegern (26 Punkte oder mehr) sinkt der Schnitt hingegen wieder auf 20.

Graphik 1

Nun mögen diese Unterschiede nicht allzu groß wirken (wir reden von ein bis zwei Punkten aus zehn Spielen), und sie basieren natürlich auf relativ kleinen Stichprobengrößen. Allerdings gibt es gleich mehrere Faktoren, die gegen Österreich sprechen, weshalb auch diese bescheidenen Erkenntnisse Grund zur Sorge geben können. So sind die Durchschnittswerte an Punkten, die für den zweiten Platz nötig sein werden, schon beinahe komplett außer Reichweite. 19 Punkte sind rechnerisch gar nicht mehr zu holen und 20 lediglich mit einer einhundertprozentigen Siegquote. Sollte zudem entweder Serbien oder Irland noch eine Siegesserie hinlegen, wird für den zweiten Platz der Logik von Graphik 1 folgend eine noch höhere Punkteanzahl vonnöten sein.

Dagegen spricht freilich, dass Irland und Serbien bisher noch nicht sonderlich herausragend gepunktet haben (mit dem Punkteschnitt von 2,0 würde man jeweils den Negativrekord von Frankreich  aus der Quali für die WM 2006 einstellen) und außerdem noch gegeneinander spielen, beide gemeinsam können also nicht gleichzeitig davonziehen.

Den Blick auf die Konkurrenz beiseite lassend, bleibt noch abzuschätzen, wie viel man selbst zum eigenen Glück oder Unglück beitragen. Dafür habe ich die Wahrscheinlichkeit, einen der beiden vorderen Plätze basierend auf den erreichten Punkten zu holen, errechnet. Ich gehe der Einfachheit halber davon aus, dass Platz 2 in der Gruppe zum Aufstieg reichen wird (der angenehme Nebeneffekt der ausgeglichenen Gruppe mit gleich vier Teams auf etwa demselben Niveau). Dass Platz 1, vor allem aufgrund der Konstellation der Gruppe, schon außer Reichweite sein wird, dürfte spätestens seit Sonntag klar sein. Die Wahrscheinlichkeit, die Gruppe zu gewinnen, ist selbst bei 12 Punkten aus den verbleibenden vier Spielen äußerst gering (15%), bei weniger natürlich nicht einmal der Rede wert.

Graphik 2

Doch selbst die Chance auf Platz eins oder zwei ist bereits gering und wird nur bei einer signifikant besseren Punkteausbeute steigen. Alles unter drei Siegen aus den letzten vier Partien heißt das beinahe sichere Ausscheiden aus der Quali (selbst mit 16 Punkten, also bei zwei Siegen und zwei Remis, liegt die Wahrscheinlichkeit unter zehn Prozent). Auch drei Siege und eine Niederlage gäben noch nicht wirklich Anlass zur Hoffnung auf einen Platz im Play-Off. Damit hätte man lediglich in zwei von fünf Gruppen eine ausreichende Chance auf Platz zwei. 

Erst mit zehn Punkten, gleichbedeutend mit drei Siegen und einem Unentschieden aus dem Restprogramm, kommt man dem Ziel schon näher, auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch immer unter 50% liegt. Damit wird deutlich, dass eigentlich nur vier Siege aus den letzten vier Spielen zählen. Damit läge die Aufstiegswahrscheinlichkeit bei 80%. Natürlich könnte man damit immer noch scheitern; man denke an das Szenario von vier Siegen Österreichs, drei Siegen Serbiens (außer gegen Österreich) und drei Siegen Irlands (außer gegen Serbien), Damit  wäre man hinter den beiden derzeit voranliegenden Teams trotz 20 Punkten nur Dritter und teilte damit das Schicksal der WM-Zuschauer Portugals (1994), der Niederlande (2002) und Kroatiens (2010). Man hätte allerdings zumindest seinen eigenen Beitrag geleistet.