Freitag, 22. August 2014

Warum Thorsten Schick Florian Kainz ersetzen kann

1. Einleitung 

Der SK Sturm Graz hat auf den Abgang von Florian Kainz zu Rapid reagiert und für die frei gewordene Position mit Thorsten Schick von der Admira verpflichtet. Auf den ersten Blick scheint diese Neuverpflichtung sinnvoll zu sein, gehörte Schick in den letzten beiden Spielzeiten doch zu den beständigsten und torgefährlichsten Spielern seiner Mannschaft, was sich auch im zweithöchsten Marktwert des Kaders niederschlug. Für ihn selbst ist es die Rückkehr zu seinem Stammverein, während der Verkauf für die Admira zumindest finanziell von Vorteil gewesen sein dürfte. Da sein Vertrag nächsten Sommer ausgelaufen wäre, war es wohl die letzte Möglichkeit, durch den Abgang eine Ablösesumme zu lukrieren.

Neben all diesen allgemeinen Überlegungen zeigen auch die Daten, dass die Verpflichtung sportlich gesehen durchaus logisch war. Grundlage hierfür sind die Spiele der abgelaufenen Saison 2013/14, wobei nur Bundesligaspiele berücksichtigt wurden. Bei Thorsten Schick wurde auch die Evolution während der Spiele der bereits angelaufenen Spielzeit untersucht, wobei diese natürlich aufgrund der geringen Anzahl an absolvierten Spielen nur bedingt Schlüsse zulässt. Quellen dazu sind wie immer der auf laola1.at wöchentlich veröffentlichte Statistikcheck, die Datenbank von transfermarkt.at und für die laufende Saison die Daten auf bundesliga.at. 


2. Offensivstatistiken

Wie in Graphik 1 ersichtlich wird, waren beide Spieler in der abgelaufenen Saison Stammspieler bei ihren jeweiligen Teams und kamen in fast allen Spielen, in denen sie spielberechtigt waren, auch zum Einsatz. Kainz kam dabei auf etwas mehr Einsätze und Spielminuten (2582) als Schick (2361), was jedoch auch an der etwas höheren Rotation bei der Admira liegen könnte, die im Verlauf der Saison zwei Feldspieler mehr einsetzte als Sturm (27 gegenüber 25). Kainz absolvierte am viertmeisten Einsatzminuten innerhalb seines Kaders, während Schick der sechstmeisteingesetzte Admiraner war.

 
Graphik 1

Der am leichtesten messbare Beitrag von Offensivspielern zum Erfolg ihrer Mannschaft sind Tore und Torvorlagen. Beide Spieler zeigen dabei durchaus vergleichbare Werte und kommen auf 11 (Kainz) beziehungsweise 10 (Schick) Scorerpunkte. Kainz erzielte zwar mehr Tore, aber insgesamt waren beide an genau 20% der Tore ihrer Mannschaft direkt mittels Tor oder Assist beteiligt (siehe auch Graphik 2). Setzt man die Scorerpunkte in Relation zur Einsatzzeit, zeigt sich ebenfalls ein verblüffend ähnlicher Wert. Kainz verbuchte alle 234,7 Minuten einen Scorerpunkt, Schick hingegen alle 236,1 Minuten, also ein minimaler Unterschied. 
  
Graphik 2

Im Gegensatz zu Schick war Kainz im abgelaufenen Jahr ein eher mitspielender denn selbst den Abschluss suchender Außenspieler. Er legte seinen Mitspielern pro Spiel mehr als 2,5 Torschüsse auf, womit er klar vor Schick liegt, der auf etwas mehr als zwei Torschussvorlagen pro Spiel kommt. Kainz belegt mit seinen Werten den dritten Rang innerhalb seines Teams (hinter Offenbacher und Schloffer), während Schick in jener Hinsicht der viertbeste Admiraner in der abgelaufenen Saison war (um Verzerrungen aufgrund zu geringer Fallzahlen zu vermeiden, wurden hier Spieler mit weniger als zehn Torschussvorlagen nicht berücksichtigt). 

Selbst aufs Tor schoss Kainz hingegen viel seltener als Schick, der Unterschied beträgt beinahe einen Schuss alle zwei Spiele. Angesichts der Tatsache, dass Kainz insgesamt dennoch mehr Tore erzielte, erklärt sich ein doch recht großer Unterschied bezüglich Effizienz: Während Kainz für ein Tor 7,29 Schüsse aufs Tor benötigte, landete beinahe nur jeder zwölfte Torschuss von Schick im Netz. Umgekehrt verhält es sich bei den Torschussvorlagen: Etwa jede elfte Vorlage von Schick endete mit einem erfolgreichen Torschuss, während Kainz mehr als 18 Torschussvorlagen spielen musste, um einen Assist zu verbuchen, was natürlich nicht seine eigene Verantwortung ist. Dieses Problem der ineffizienten Torschüsse ist bei der Admira jedoch ein generelles. Sie schoss zwar pro Spiel etwa eineinhalbmal öfter auf das gegnerische Tor als beispielsweise Sturm, kam jedoch insgesamt auf fünf Tore weniger.

3.      Pässe und Zweikämpfe

Bei einigen Leistungsindikatoren zeigen beide Spieler erstaunliche Ähnlichkeiten. So waren beide etwa gleichviel in das Spiel ihres Teams involviert und kamen auf etwa 46 Ballkontakte pro 90 Minuten. Kainz spielte pro 90 Minuten etwa fünf Pässe mehr, was insofern interessant ist, dass die Admira als Team etwa zehn Pässe pro 90 Minuten mehr spielte als Sturm (284 gegenüber 274). Allerdings sagt diese Zahl nichts über die Richtung der Zuspiele aus. Da Kainz jedoch auch signifikant mehr Torschussvorlagen als Schick spielte, ist anzunehmen, dass nicht auch der Rest der Pässe zum großen Teil nur nach hinten oder in die Breite gespielt wurde. 

Graphik 3

Auf der anderen Seite bestritt Schick pro Spiel etwa eineinhalb Zweikämpfe mehr, was sich wohl durch generelle Unterschiede zwischen den Teams erklären lässt. Insgesamt bestritt die Admira pro Spiel elf Zweikämpfe mehr als Sturm (219 gegenüber 208), weshalb die Differenz auch in etwa so zu erwarten ist. 

Graphik 4 

Graphik 4 zeigt, dass Kainz im Gegensatz zu Schick etwas besser abschnitt, was die relativen Werte betrifft. So brachte er sowohl mehr Pässe an den eigenen Mann, so wie er auch etwas mehr Zweikämpfe für sich entscheiden konnte. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Spielern recht gering. Zur Veranschaulichung: Bei der Anzahl an gespielten Pässen der beiden (etwa 46) pro Spiel ergibt die Differenz zwischen 0,74% und 0,72% Passgenauigkeit den Unterschied von etwa einem erfolgreichen Pass pro Spiel mehr. Zu bemerken ist auch, dass beide Spieler bei beiden Quoten teils deutlich unterhalb der Durchschnittsquoten der jeweiligen gesamten Mannschaft liegen (siehe Daten in Graphik 5). Da die Admira in beiden Belangen etwas besser als Sturm abschnitt, sind die etwas schlechteren Werte von Schick bemerkenswert.

Graphik 5

4.      Die Entwicklung von Schick in der neuen Saison

Neben dem Blick auf die Daten der abgelaufenen Saison bietet sich im Fall von Thorsten Schick auch ein Vergleich dieser Statistiken mit jenen der angelaufenen Spielzeit an. Da erst fünf Runden absolviert wurden, sind die abstrahierten Daten der laufenden Saison natürlich noch nicht sehr aussagekräftig. Zusätzlich werden sie durch den Umstand verzerrt, dass sie natürlich auch vom jeweiligen Gegner und dessen Qualität abhängig sind. In dieser Hinsicht muss darauf hingewiesen werden, dass die Admira in dieser Saison bereits auf den Ersten (Salzburg) und Zweiten (Rapid) der abgelaufenen Saison sowie auf das zweitstärkste Team der laufenden (Wolfsberg) traf und kaum gegen Teams auf Augenhöhe spielte, weshalb schwächere Leistungsdaten im Vergleich zur letzten Saison nicht allzu überraschend sind. 
Die erwarteten Unterschiede zeigen sich auch empirisch (siehe Graphik 6). In beinahe allen untersuchten Metriken zeigt die Admira in der heurigen Saison durchschnittlich schwächere Werte als in der vorhergehenden (Anm.: Die jeweils besseren Werte sind grün hinterlegt. Bei eigenen Schüssen, Torschüssen und Toren sowie bei Toren und Punkten ist ein höherer Wert besser, bei gegnerischen Schüssen, Torschüssen und bei Gegentoren naturgemäß ein niedrigerer). Man sieht also, dass die Admira auch aufgrund der starken Gegner ihr Spiel noch nicht so umsetzen konnte wie letztes Jahr. Daher ist auch zu erwarten, dass einzelne Spieler bei ihren Leistungsdaten schwächer abschneiden als letztes Jahr.


 
Graphik 6 

Die Daten zeigen bei Thorsten Schick auch tatsächlich einen gewissen Abfall in einigen Parametern (siehe Graphik 7). Er spielte zwar mehr erfolgreiche Pässe pro Spiel, allerdings auch bedeutend mehr Fehlpässe, weshalb seine Passquote von 72% auf 62% abfiel. Man kann dies aber auch so interpretieren, dass er insgesamt etwas mehr in das Aufbau- und Offensivspiel seines Teams eingebunden wurde als im vorherigen Jahr.
Umgekehrt bestritt er weit weniger Zweikämpfe, sowohl erfolgreiche als auch verlorene, was als verminderte Pressingaktivität eingestuft werden kann. Da die erfolgreichen weit stärker als die verlorenen zurückgingen, reduzierte sich auch die Zweikampfquote von 44% auf 39%. Auch bei eigenen und aufgelegten Torschüssen zeigt sich ein deutlicher Rückgang, was allerdings wie bereits erwähnt auch auf den allgemeinen Leistungsrückgang der Admira in der laufenden Saison zurückgeführt werden kann.  Ein durchgeführter Welch-Test ergab zudem, dass keiner der Unterschiede zwischen den beiden Saisonen statistisch signifikant ist. Sprich, sie können durchaus das Ergebnis schlichten Zufalls sein (beziehungsweise des bereits erwähnten Qualitätsunterschieds) und sind das wahrscheinlich auch.


Graphik 7


5.      Fazit

Die Frage, ob Thorsten Schick den durch den Verkauf von Florian Kainz freigewordenen Platz im Team von Sturm Graz übernehmen kann, lässt sich nach Durchsicht einiger Leistungsdaten durchaus bejahen. Bei vielen Parametern sind die Werte sehr ähnlich bis gleich, wie etwa bei den Scorerwerten, sowohl den absoluten als auch den auf Einsatzzeit beziehungsweise insgesamt vom Team erzielte Tore gewichteten. Im Gegensatz zu Kainz suchte Schick etwas häufiger den Abschluss, erwies sich dabei aber als weniger effektiv. Er spielte auch weniger Pässe und war im Passspiel insgesamt etwas ungenauer, was als ein Nachteil gewertet werden könnte. Dafür bestritt er mehr Zweikämpfe und war in einem Team mit etwas weniger Ballbesitz häufiger am Ball, also etwas mehr ins Offensivspiel eingebunden. Die Werte der bisherigen Saison sind zwar etwas schlechter, was allerdings aufgrund verschiedener Faktoren nicht unbedingt als Leistungsabfall gewertet werden muss.  


Samstag, 14. September 2013

Taktikanalyse Austria Lustenau gegen SV Mattersburg

Das Spitzenspiel der letzten Runde im ersten Viertel der zweithöchsten Spielklasse versprach eigentlich eine recht interessante Partie zu werden, wurde jedoch vor allem in der zweiten Hälfte zu einem Schaulaufen. Dennoch können einige durchaus interessante taktische Aspekte aufgezeigt werden.

1. Die Formationen

 

Beide Teams traten in der formal gleichen Formation auf; vor der Viererabwehrkette spielten zwei Sechser, hinter einer Solospitze wurde eine offensive Dreierkette aufgeboten. Bei den Hausherren wurde dieses System jedoch viel flexibler und moderner interpretiert als bei den Gästen, die sehr starr die Positionen hielten und das Spiel generell wie eine typische Auswärtsmannschaft anlegten. Dabei ging es vor allem darum, nicht wieder drei Gegentore zu bekommen wie in den bisherigen drei Auswärtspartien, weshalb mit Seidl auch ein gelernter Sechser vor den beiden Abräumern Prietl und Lovin spielte. Dieser Plan ging jedoch innerhalb von nur 25 Minuten in der ersten Halbzeit ordentlich in die Hose.



Graphik 1: Die Startformation von Austria Lustenau


Während Austria-Coach Kolvidsson ein im Vergleich zum Vorjahr runderneuertes Team auf den Platz schickte mit nicht weniger als acht Neuzugängen in der Startelf, war beim SV Mattersburg kein Feldspieler in der Anfangsformation, der im Abstiegsjahr keine Bundesligaerfahrung gesammelt hätte. Torhüter Thomas Dau hat als einziger noch kein Bundesligaspiel bestritten, ihm kann man die klare Pleite jedoch am wenigsten ankreiden. An mangelnder Erfahrung kann es also nicht gelegen haben, dass die Mattersburger das Spiel deutlich verloren und über das ganze Spiel zu keiner zwingenden Torchance im Strafraum kamen.



Graphik 2: Die Startformation des SV Mattersburg

2. Die Spielanlagen 

 

Die ersten zehn Minuten ließen bereits die Spielanlagen der beiden Mannschaften erkennen; die Hausherren setzten auf Ballbesitz im Mitteldrittel und ließen sich von Mattersburg erst einmal nicht aus der Reserve locken. Die Gäste positionierten sich enorm tief und standen grundsätzlich nur (mit zeitweiliger Ausnahme von Stoßstürmer Klemen) in der eigenen Hälfte. Bei Balleroberung in der eigenen Hälfte wurde der Ball meist weit und hoch nach vorne gespielt und sollte vor allem von Klemen weiterverarbeitet werden, der dafür auch oft auf die Seiten auswich. Aufgrund zu langsamen Vorrückens seiner Mitspieler fand er jedoch wenig Anspielstationen und wenn, dann fehlte er oft bei deren Hereingaben in der Mitte. Dazu kamen in vielen vielversprechenden Kontermöglichkeiten mangelnde Präzision im Zuspiel und technische Mängel bei der Ballannahme. Deshalb kam Mattersburg in Halbzeit 1 nur zu einem einzigen ernstzunehmenden Torschuss, und das erst beim Stand von 3:0.

Lustenau hielt den Ball hingegen in den eigenen Reihen und positionierte sich hoch, ohne anfänglich viel Risiko zu nehmen. Interessant war vor allem das kollektive Positionsspiel, das die Gastgeber praktizierten. So kippte situationsbedingt einer der beiden Sechser Fall oder Bolter nach hinten ab, um mit den beiden Innenverteidigern eine Dreierkette zu bilden. Diese Vorgehensweise ist zwar nicht neu und wird beispielsweise vom FC Barcelona schon seit Jahren praktiziert, interessant ist allerdings, das dafür keiner der beiden Sechser fix vorgesehen ist, sondern situationsbedingt einer der beiden in diese Rolle schlüpft. Die Dreierkette bot den Außenverteidigern die Möglichkeit, weit nach vorne zu schieben und mit den offensiven Außenstürmern offensive Pärchen zu bilden, womit die beiden Mattersburger Außenverteidiger in Hälfte 1 häufig überfordert waren. Vor allem der ballferne Außenverteidiger positionierte sich weit vorne, was seinem Kollegen auch die Möglichkeit gab, einzurücken, woraus beispielsweise das 3:0 durch Schreter resultierte.


Sehr flexibel wurden die Positionen wiederum von den zentralen Offensivspielern Thiago und Salomon interpretiert; sie orientierten sich sowohl auf die Flügel, um dort Anspielmöglichkeiten zu bieten und Überzahlsituationen zu schaffen, rochierten aber auch miteinander sehr viel, wodurch sie von der Mattersburger Defensive, trotz deren prinzipieller Überzahl im Zentrum, nie in den Griff bekommen wurden.


Auf den seltenen Ballbesitz der Burgenländer reagierten die Gastgeber mit aggressivem Pressing, vor allem ab dem Mitteldrittel und dahinter. Obwohl das Pressing nur selten kollektiv und systematisch angewandt wurde, bekam es den Mattersburgern gar nicht. Einerseits verloren sie viele Bälle schnell wieder, ohne Gefahr kreieren zu können, andererseits waren sie nach den Ballverlusten defensiv völlig unorganisiert, was die Tore zum 2:0 und 3:0 verursachte. Auch die Standardsituation, die dem 1:0 voranging, resultierte aus einer schnellen Balleroberung Lustenaus in der gegnerischen Hälfte und einem deshalb notwendig gewordenen taktischen Foul. Nach dem 4:0, das zwar insgesamt auch durch viel Pech für Mattersburg verursacht wurde, allerdings wiederum wie das 1:0 enorme Schwächen bei der Zuordnung bei Defensivstandards offenbarte, war das Spiel de facto entschieden.

3. Zweite Halbzeit 

 

Mattersburg-Coach Tatar reagierte naturgemäß auf die inferiore Leistung seiner Mannschaft in der ersten Hälfte. Statt Lovin brachte er als zweiten Stürmer Pink, Seidl rückte nach hinten und bildete mit Prietl das defensive Mittelfeldduo. Außerdem tauschten Höller und Farkas auf der rechten Seite die Positionen; Höller agierte ab dem als Außenverteidiger, der defensiv in der ersten Halbzeit oft überforderte Farkas agierte offensiver und brachte auch etwas Schwung in das Offensivspiel der Burgenländer, die fortan mit vielen hohen Flanken aus dem Halbfeld auf das Sturmduo agierten, was allerdings auch kaum für Gefahr für das Tor von Knett sorgte. Nicht nur formal, sondern auch strategisch änderte sich das Mattersburger Spiel in der zweiten Hälfte. Man positionierte sich höher und agierte bei gegnerischem Ballverlust konzentrierter und aggressiver, womit man Lustenauer Torchancen weitgehend verhindern konnte, auch weil diese ihr Offensivbemühungen beinahe komplett eingestellt hatten. Das Konterverhalten der Gäste wiederum blieb weiterhin mangelhaft, weiterhin wurden hauptsächlich hohe, weite Bälle nach vorne gespielt, die von den Lustenauern dankbar erobert wurden.



Graphik 3: Die Mattersburger Formation nach den Umstellungen in Halbzeit 2


Mitte der zweiten Halbzeit wurde das Mattersburger System komplett umgestellt; der junge Karanezi ersetzte den kaum präsenten Röcher und reihte sich als Linksverteidiger ein, womit auch auf der anderen Seite die Außenverteidigerposition neu besetzt wurde. Rath spielte dafür fortan offensiver. Außerdem wurde Malic nach vorne gezogen, womit defensiv nur eine Dreierkette übrigblieb. Malic ordnete sich hinter den Stürmern ein und sollte nun selbst die hohen Bälle weiterverarbeiten und auch im Strafraum selbst für Gefahr bei hohen Flanken sorgen, schaffte es allerdings auch nicht, Torhüter Knett ernsthaft in Bedrängnis zu bringen.


Die Gastgeber wiederum konnten sich in der zweiten Halbzeit schonen. Sie beschränkten sich meist darauf, den Ball möglichst lange in den eigenen Reihen zu halten und wenig Risiko zu gehen. Die durchaus vorhandenen Räume, vor allem nach den erwähnten Umstellungen bei Mattersburg, wurden kaum genützt, man verzichtete fast komplett auf Konter. Stattdessen wurden Kräfte eingespart und darauf geachtet, das Zentrum wie auch schon in Hälfte 1 besetzt zu halten und den Mattersburgern nur die Option der niemals gefährlich werdenden hohen Bälle von der Seite offen zu lassen.


Bild 1: Die Lustenauer Austria im Ballbesitz. Gut zu erkennen: Die Dreierkette mit Fall und den Innenverteidigern sowie das nicht vorhandene Pressing der Mattersburger. Auch wenn diese Situation aus der Schlussphase stammt, kann sie doch als symptomatisch für das gesamte Spiel angesehen werden.


4. Fazit 

 

Durch die vielen Tore, die den Lustenauern innerhalb von nur 25 Minuten in der ersten Hälfte gelangen, konnte aus dem Spiel keine wirklich spannende Partie werden, obwohl sie durchaus interessante Details zu bieten hatte. Hierzu zählen auf Lustenauer Seite die situationsbedingte Dreierkette in Ballbesitz, die hohe Positionierung der Außenverteidiger, die einrückenden Außenstürmer und die flexibel spielenden zentralen Offensivspieler Thiago und Salomon. Mattersburg wiederum setzte auf hohe Bälle und tiefe Positionierung, packte erst Mitte der zweiten Hälfte so etwas wie die Brechstange aus und löste die Viererkette auf. Allerdings konnte dies die Versäumnisse der ersten Halbzeit, vor allem schwaches Konterverhalten und defensive Unordnung, nicht mehr ausgleichen, womit der Lustenauer Sieg auch in dieser Höhe gerecht erscheint. Nach Anlaufschwierigkeiten in der Saison zeigen die Vorarlberger damit, dass sie durchaus bundesligareifen Fußball zeigen können, während für die Burgenländer die Mission Wiederaufstieg in dieser Verfassung keine realistische Möglichkeit zu sein scheint.



Sonntag, 9. Juni 2013

Defence wins championships?


Eine kleine statistische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen erzielten und erhaltenen Toren und der Punkteanzahl. Mittels der Daten aus den zwölf abgelaufenen Saisonen kann gezeigt werden, dass die Anzahl der Punkte eher von der Anzahl der erzielten Tore als von der Anzahl der Gegentore abhängt. Die Annahme, die dem Satz zugrunde liegt, entspricht also zumindest in der österreichischen Bundesliga nicht der Realität.

1. Einleitung

Der Satz „Offence wins games, but defence wins championships“, also zu Deutsch „Die Offensive gewinnt Spiele, aber die Defensive gewinnt Meisterschaften“, ist vielen Fußballanhängern sicherlich geläufig. Die Annahme, dass sich im Verlauf einer Meisterschaft, die üblicherweise knapp vierzig Spielrunden andauern, eine gute Defensive besser auswirkt als eine gute Offensive, ist also weit verbreitet. 

Aber ist da auch etwas dran? Präziser gefragt: Lässt sich eine solche Tendenz auch in der österreichischen Bundesliga feststellen? Hält sie statistischen Methoden stand?

Um diese Frage beantworten zu können, wurden die letzten zwölf vorhergehenden Saisonen, also von 2000/01 bis 2011/12, untersucht. Die Daten wurden dabei in drei verschiedene Teilgruppen eingeteilt: Einerseits alle Teams (n=120), um den Einfluss der Toranzahl auf die Punkteanzahl insgesamt zu untersuchen; zweitens alle Meister (n=12), um zu prüfen, ob denn der oben zitierte Satz in der österreichischen Liga so stimmt; und drittens einige ausgewählte Nichtabsteiger (n=30), um zu erforschen, ob es für den Ligaerhalt besser ist, mehr Tore zu schießen, oder eher weniger Tore zu erhalten (idealerweise natürlich beides, aber das gilt für alle Teams). In diese letzte Gruppe fallen alle Teams, die Rang 8 und 9 in den Saisonen belegt haben, sowie zusätzlich alle jene, die nach dem letzten Spieltag zehn oder weniger Punkte Vorsprung auf den Absteiger hatten. 

2. Daten
 
Zuerst wurden die Daten graphisch in Form dreidimensionaler Scatterplots dargestellt (siehe Graphiken 1-3). Die erste Graphik, in der die Daten aller Teams dargestellt sind, zeigt den logischen und erwarteten Zusammenhang zwischen der Anzahl an Toren, Gegentoren und Punkten: Ein Band an Datenpunkten, das einigermaßen linear von links vorne oben in der Graphik (wenige Tore und Punkte, viele Gegentore) nach rechts hinten unten (viele Tore und Punkte, wenige Gegentore) führt.

 
Graphik 1

Der Großteil der Teams bewegt sich naturgemäß im Mittelfeld. Der Durchschnitt der Tore (und damit auch der Gegentore) beträgt über den gesamten Zeitraum 48,9. Während es jedoch einige Ausreißer nach oben in der Graphik gibt, also Teams mit übermäßig vielen Gegentoren, gibt es weniger davon nach rechts, also solche, mit „zu vielen“ Toren. Das ist bereits ein interessanter Hinweis auf die tatsächliche Natur des Zusammenhangs (die Standardabweichung über den gesamten Zeitraum beträgt 12,52 bei den Toren und 13,96 bei den Gegentoren).

 
Graphik 2

Bei der Reduktion der Darstellung nur auf die Meistermannschaften der zwölf untersuchten Saisonen ist die Tendenz naturgemäß etwas anders (siehe Graphik 2; beim Vergleich der unterschiedlichen Graphiken sind die unterschiedlichen Intervalle auf den Achsen zu beachten). So geht die Linie eher von links vorne unten weniger Tore, Gegentore und Punkte) nach rechts hinten oben (viele Tore, Gegentore und Punkte).

Allerdings fallen, auch bedingt durch die niedrigere Fallzahl, zwei Ausreißer auf: einerseits einer links vorne, also mit wenigen Toren und Punkten, und einer rechts hinten oben, also mit vielen Toren, aber auch besonders vielen Gegentoren. Bei beiden Teams handelt es sich um Meistermannschaften von RB Salzburg. Bei erstgenanntem handelt es sich um das Team von 2011/12, also dem letzten Jahr der Untersuchung, als wenige Punkte und Tore für den Titel reichten. Zweitgenannter Ausreißer ist das Team der Saison 2008/09, das unter Co Adriaanse die meisten Tore aller Meister erzielte, aber auch die mit Abstand meisten Gegentore erhielt.

 
 Graphik 3

In Graphik 3 wiederum sind die Daten der ausgewählten Nichtabsteiger abgebildet. Auch bei ihnen zeigen sich mehr Ausreißer, außerdem ist die Beziehung zwischen den Variablen nicht mehr so gleichmäßig linear von links oben vorne nach rechts unten hinten.

3. Berechnung

Nach dieser graphischen Aufarbeitung der Daten folgt die rechnerische. In Tabelle 1 sind die Korrelationen nach Pearson[1] zwischen Toren beziehungsweise Gegentoren und den Punkten für jede Saison einzeln sowie für alle Saisonen zusammen, die Meister und die ausgewählten Nichtabsteiger aufgeführt. Es zeigt sich, dass die Korrelationen im Zeitverlauf keinem Trend folgen. In fünf Saisonen ist die Korrelation zwischen Toren und Punkten höher als zwischen Gegentoren und Punkten, in sieben hingegen ist es umgekehrt. Das würde für die Richtigkeit der eingangs zitierten Phrase sprechen. Im langjährigen Mittel ist der Zusammenhang zwischen Toren und Punkten bei allen Teams jedoch leicht höher als der zwischen Gegentoren und Punkten. Noch viel größer sind die Unterschiede zwischen beiden Größen bei den Untergruppen der Meister und Nichtabsteiger, wobei hier jedoch auch die Zusammenhänge insgesamt kleiner sind. Dieser Befund wiederum spricht für das genaue Gegenteil des angenommenen Satzes, wonach die Defensive die Meisterschaft gewinnt.

Saison
Tore
Gegentore
2011/12
0,9357
-0,8206
2010/11
0,9427
-0,9607
2009/10
0,8598
-0,9005
2008/09
0,8514
-0,8620
2007/08
0,9398
-0,9227
2006/07
0,7896
-0,8731
2005/06
0,6690
-0,8903
2004/05
0,9612
-0,9135
2003/04
0,9820
-0,8972
2002/03
0,6989
-0,8061
2001/02
0,8948
-0,8766
2000/01
0,8728
-0,9704
Insgesamt
0,8477
-0,8460
Meister
0,5143
-0,1880
Nichtabsteiger
0,5035
-0,3148
Tabelle 1: Korrelationen nach Pearson zwischen Toren beziehungsweise Gegentoren und der Punkteanzahl, 2000-2012

Um die Frage nun endgültig im Rahmen der erhobenen Daten zu lösen, wurde eine multiple lineare Regression[2] für die drei Untergruppen errechnet. Die Daten sind in Tabelle 2 dargestellt. Es zeigt sich, dass in allen drei Kategorien der substantielle Effekt der Anzahl der erzielten Tore auf die Anzahl der Punkte höher ist als jener der Gegentore. Auch hier ist der Effekt zwar in der Gruppe der Meister und Nichtabsteiger niedriger als in der Gesamtheit der erhobenen Fälle, was allerdings auch an der niedrigeren Fallzahl liegen kann. 

Besonders interessant ist der große Unterschied zwischen beiden Werten in der Gruppe der Nichtabsteiger. Vor allem hier ist es also wichtiger, Tore zu erzielen, als möglichst wenige davon zu bekommen. 

Ebenfalls ist eine hohe statistische Signifikanz der Effekte aus der Tabelle abzulesen, es kann also ein zufälliger Zusammenhang ausgeschlossen werden, was allerdings der Tatsache, dass die von einem Team erreichte Punkteanzahl in einem Fußballspiel nun einmal eine Funktion der erzielten und erhaltenen Tore ist, auch nicht allzu sehr verwundern sollte. 


Alle Teams
Meister
Nichtabsteiger
Tore
0,6159**
(0,0325)
0.3681**
(0.1041)
0.3593**
(0.0892)
Gegentore
-0.5485**
(0.0291)
-0.3315*
(0.1219)
-0.1885**
(0.0635)
n
120
12
30
Standardfehler in Klammern
*signifikant für p≤0,05 **signifikant für p≤0,01
Tabelle 2: Lineare Regression 

4. Fazit

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der oben zitierte Spruch für den untersuchten Zeitraum in der österreichischen Bundesliga nicht gültig ist. Vielmehr zeigt sich, dass die Anzahl der Punkte eher von der Anzahl der geschossenen Tore abhängt als von der Anzahl der Gegentore. Dieser Befund gilt gleichermaßen für Meister als auch für Mannschaften im Mittelfeld und solche, die sich vor dem Abstieg retten konnten. Zumindest in der österreichischen Bundesliga im Zeitraum von 200 bis 2012 galt also eher der Spruch: „Offence wins games – and championships“. Das ist einerseits eine gute Nachricht für alle Anhänger des Offensivfußballs, aber auch ein Hinweis auf die Verantwortlichen, dass sie sich nicht allzu sehr auf die Verhinderung von Toren fokussieren, sondern ruhig auch öfter selbst den Torerfolg suchen sollten.




[1] Für mehr Informationen über die Aussage einer Korrelation nach Pearson siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Korrelationskoeffizient
[2] Für mehr Informationen über lineare Regressionen siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Lineare_Regression