Dienstag, 12. Januar 2016

Wie schneiden die Trainer ab?

Vor einigen Tagen untersuchte ich im ersten Teil eines Schwerpunkts zum Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Möglichkeiten und sportlichem Erfolg in der österreichischen Bundesliga (der zweite Teil folgt in den kommenden Tagen), inwieweit der Marktwert eines Teams seine Punkteausbeute am Saisonende prognostizieren kann. Der Marktwert wird dabei als Indikator für die Qualität der zur Verfügung stehenden Spieler und damit auch des zur Verfügung stehenden Budgets angesehen; Vereine mit mehr Geld können sich bessere Spieler leisten und sie länger bei sich halten, was sich in einem höheren Durchschnittsmarktwert niederschlägt. Dies wiederum führt zu besseren Leistungen auf dem Feld und besseren Ergebnissen im Endklassement. 

Die Ergebnisse zeigen, dass der Zusammenhang recht stark und statistisch signifikant ist und sich durchaus mit Ergebnissen aus Untersuchungen über andere Ligen und Ländern deckt. Etwas mehr als die Hälfte der Varianz in der Punkteanzahl der Teams am Ende der Saison von 2010 bis 2015 kann mittels des Durchschnittsmarktwerts erklärt werden. Das lässt allerdings auch Raum für zusätzliche Erklärungen. Die Resultate eines Teams können unter Umständen auch von Glück oder Pech, Verletzungen, Doppel- oder Dreifachbelastungen oder Schiedsrichterentscheidungen beeinflusst werden, und einige dieser Faktoren werde ich auch in zukünftigen Beiträgen untersuchen, solange sie sich quantifizieren lassen. In diesem Beitrag hingegen soll es um die Rolle der Cheftrainer gehen.

Um deren Einfluss auf die Punkteanzahl zu eruieren, nehme ich die Amtszeit aller jener, die zwischen Saisonbeginn 2010 und Winterpause 2015/16 als Cheftrainer (vorerst inklusive Interimstrainer) tätig waren. Dadurch ergibt sich ein Sample von 51 Personen. Deren jeweilige Amtszeiten pro Klubs unterteile ich noch einmal in die unterschiedlichen Saisonen, da pro Saison meist ein etwas anderer Kader mit unterschiedlichen Marktwerten zur Verfügung stand. Damit vergrößert sich das Sample auf 90 Untersuchungseinheiten. Von diesen wiederum exkludiere ich Kurzzeit- und Interimstrainer, die weniger als fünf Spiele als Cheftrainer verantwortlich waren, für die meisten Berechnungen. Das endgültige Sample umfasst daher 83 Untersuchungseinheiten. In einem späteren Schritt werden die Ergebnisse der einzelnen Saisonen (und bei Coaches die in mehr als einem Verein tätig waren auch diese) wiederum addiert, um für jeden Cheftrainer einen einzelnen Wert zu errechnen (siehe unten Graphik 2).

Zuerst sehen wir uns, wie sich die Untersuchungseinheiten in Bezug auf prognostizierte und tatsächliche Werte verhalten. Wie Graphik 1 zeigt, ist dieser Zusammenhang ähnlich stark ausgeprägt wie bei den Vereinen. Das Bestimmheitsmaß liegt etwas niedriger (0,46 gegenüber 0,53), was angesichts der höheren Fallzahl vielleicht etwas überraschen mag. Allerdings muss dazu angemerkt werden, dass trotz des Ausschlusses der Kurzzeittrainer mit weniger als fünf Spielen dennoch noch eine Reihe von Trainern mit vergleichsweise kurzen Saisonamtszeiten im Sample vertreten sind. Vier davon dauerten genau fünf Spiele, eine sechs, drei sieben, zwei acht und wiederum drei neun Spiele lang. In diesen kurzen Zeiträumen kann ein Trainer wahrscheinlich noch nicht allzu viel ausrichten, selbst wenn er ein sehr guter ist. Andererseits können schlechte wohl auch nicht besonders verschlimmern. Tatsächlich finden sich in diesem Subsample der Trainer mit zwischen fünf und neun Spielen sowohl über- als auch unterdurchschnittlich gut abschneidende, wobei diejenigen, die weniger Punkte als erwartet holen, doch etwas stärker vertreten sind. Durchschnittlich holten diese 13 Trainer im Schnitt 0,23 Punkte pro Spiel weniger als erwartet. Das liegt wahrscheinlich daran, dass diese meist entweder bereits zu unter den Erwartungen spielende Mannschaften kamen und die Abwärtsspirale nicht mehr aufhalten konnten, oder sie waren punktemäßig wirklich schlecht und wurden nach einigen Runden entlassen (Kolvidsson, Grubor).

 Graphik 1

Wenn diese Trainer aus dem Sample entfernt werden, steigt die Korrelation bei den verbleibenden tatsächlich auf das gleiche Maß wie bei den Teams auf die gesamte Saison gerechnet. Kurzzeittrainer haben also kaum eine Möglichkeit, auf die Resultate ihres Teams einen positiven Einfluss zu nehmen. Das Limit, das man einem Trainer geben sollte, scheinen also in etwa zehn Spiele oder ein Saisonviertel zu sein. Dennoch erscheint es mir nicht sinnvoll, diese gänzlich aus den Untersuchungen auszuschließen; auch wenn man die Resultate erst nach einigen Wochen beurteilen sollte, kann die geleistete Arbeit auf lange Sicht durchaus aufschlussreich sein. Ricardo Moniz konnte beispielsweise nach seiner kurzen Amtszeit am Ende der Saison 2010/11 in der folgenden Spielzeit den (wenn auch schmeichelhaften, weil punkteschwachen) Meistertitel holen. Auch Zoran Barisic konnte offensichtlich die verbleibenden Spiele der Saison 2012/13 sinnvoll nützen, um den Grundstein für zwei überdurchschnittlich gute Folgejahre zu legen.

Die Punkte in Graphik 1 sind farblich unterschiedlich eingefärbt, je nach Verein, bei dem der jeweilige Trainer angestellt war. Dies soll eine erste Annäherung an die Frage ermöglichen, ob bestimmte Vereine eine besonders gute Nase bei der Trainerauswahl haben und kontinuierlich Overperformer anstellen. Die rein graphische Darstellung legt jedoch keine deutlichen Schlüsse nahe; von allen Verein finden sich Punkte sowohl über (gut) als auch unter (schlecht) der Regressionsgeraden. Auffällig ist allenfalls der braune Punkt zentral ganz oben im Diagramm, der die Meistersaison der Wiener Austria unter Peter Stöger repräsentiert; diese Saison war diejenige im Untersuchungszeitraum, in der die Erwartungen am meisten übererfüllt wurden (27 Punkte über dem Erwartungswert).

Im folgenden Schritt addiere ich für alle Trainer im Sample (wiederum mit mindestens fünf Spielen) die Punkte, die sie mehr geholt haben als erwartet werden konnte (das kann dementsprechend auch ein negativer Wert sein), und dividiere sie durch die Anzahl der Spiele, in denen sie als Cheftrainer verantwortlich waren. Die Ergebnisse dieses Schritts sind in Graphik 2 dargestellt und einigermaßen überraschend.

Graphik 2

An der Spitze des Rankings steht nämlich ein Coach, den dort wohl niemand erwartet hätte. Schließlich ist Ernst Baumeister im Sommer nur aus besonderen Umständen Coach der Admira geworden und war davor bereits in den Niederungen des Amateurfußballs verschwunden. Ein Teil seines guten Werts ist sicher darauf zurückzuführen, dass der diesjährige Höhenflug der Admira auf tönernen Füßen steht und wahrscheinlich nicht bis zum Saisonende andauern wird. Außerdem beruhen die Daten auf "nur" 20 Spielen und sind damit weniger aussagekräftig als die der Trainer, die im Ranking unmittelbar hinter ihm liegen.

Der wichtigste Grund dafür dürfte aber ein anderer sein. Ich habe für dieses Ranking das rechtliche Prinzip herangezogen und seine Amtszeit, genauso wie die von Walter Knaller, als eigenständige Amtszeiten gerechnet. Organisationssoziologisch korrekter wäre es wohl, sie mit jenen von Oliver Lederer zusammenzurechnen, der pro forma Assistenztrainer ist, tatsächlich aber wohl der entscheidende Akteur ist. Interessanterweise sind alle drei im positiven Bereich, konnten insgesamt also mehr Punkte holen als erwartet. Wenn man alle Spieler mit Lederer als Co-Trainer zusammenrechnet, liegt der Wert insgesamt 0,15 Punkte pro Spiel über dem Erwartungswert. In 89 Spielen macht das insgesamt 13 Punkte mehr. Über eine gesamte Saison gerechnet sind das fünf Punkte mehr als erwartet, was in Abstiegskämpfen durchaus ein nicht zu vernachlässigender Wert ist. Oliver Lederer scheint also tatsächlich ein großes Trainertalent zu sein und die Admira tut gut daran, ihn möglichst lange bei sich einzubinden.

Hinter Baumeister liegen im Ranking einige Trainer, die man dort eher erwartet hätte. Peter Stöger konnte nach zwei erfolgreichen Saisonen in Österreich seine Karriere in einer stärkeren Liga fortsetzen. Ihm folgt Paul Gludovatz, der seit Jahren bei der SV Ried äußerst erfolgreich arbeitet (und interessanterweise nie als Trainer zu einem größeren Klub wollte oder durfte). Auch sein langjähriger Co-Trainer Schweitzer belegt mit seinen Amtszeiten als Cheftrainer einen der vordersten Plätze. Es ist auch kein Zufall, dass die dahinter folgenden Trainer Foda, Fink, Schmidt und Barisic bei den großen Klubs der Liga angestellt waren. Dahinter folgt mit Damir Canadi der taktisch wahrscheinlich flexibelste derzeitige Bundesligacoach. Deutlich im Plus ist vielleicht auch etwas überraschend Peter Schöttel, der vor allem bei Rapid keine besonders guten Erinnerungen hinterließ, aber in jeder einzelnen Saison mehr Punkte holte als erwartet. Aufgrund der Tatsache, dass keiner der besten Trainer dieser Wertung derzeit arbeitslos ist, kann man schließen, dass der Trainermarkt in Österreich einigermaßen effizient funktioniert (mit Ausnahme von Peter Hyballa, aber das hatte wohl andere Gründe).

Dasselbe gilt sinngemäß für die Trainer am anderen Ende der Wertung. Keiner der Trainer, die 0,25 oder mehr Punkte pro Spiel unter dem Erwartungswert liegen, ist derzeit in Amt und Würden. Diejenigen unter ihnen, die nur interimistisch tätig waren (Schopp, Ogris) wurden wohl zu Recht nicht langfristig beschäftigt. Die Amtszeiten aller anderen dauerten hingegen selbst nie länger als eine Saison. Auch wenn es bei ihnen nicht immer nur eigenes Unvermögen war, haben Vereine doch gemerkt, dass sie zumindest auch nicht überdurchschnittlich sind und haben dementsprechend oft schnell reagiert. Warum sie diese Coaches überhaupt eingesetzt haben, ist hingegen eine andere Frage.

Insgesamt zeigt sich, dass es mehr schlechter abschneidende Coaches als bessere gibt. Der Medianwert der 45 Coaches beträgt -0,03, das heißt, dass mehr als die Hälfte der Trainer weniger Punkte pro Spiel holte als erwartet. Wenn wir als (willkürliche) Grenze festlegen, dass ein sehr guter Coach mindestens 0,2 Punkte pro Spiel mehr holt als erwartet, bleiben abzüglich Baumeister nur fünf Trainer übrig (also 11%). Von Trainern mit mehr als 20 absolvierten Spielen erreichen nur 8 mehr als 0,06 Punkte über dem Erwartungswert, liegen also außerhalb des Standardfehlers der Punkteerwartung, also knapp 18% (insgesamt waren 31 Trainer für mindestens 20 Spiele im Amt, das wären also 26%. Da die weniger als 20 Spiele bestritten haben jedoch auch tendenziell die schwächeren Trainer sind, kann man durchaus alle 45 mitrechnen). Dazu muss gesagt werden, dass 0,06 Punkte pro Spiel auf die gesamte Saison gerechnet lediglich zwei Punkte sind, also der Unterschied zwischen einem Sieg und einem Remis. Dieser Wert deckt sich in etwa mit den Berechnungen des Ökonomen Stefan Szymanski, der davon ausgeht, dass maximal 20% der Profitrainer einen statistisch signifikanten positiven Einfluss auf die Ergebnisse ihrer Mannschaften haben. Natürlich kann ein Trainer einmal ein gutes Halbjahr oder sogar eine gute komplette Saison haben, aber über einen längeren Zeitraum sind die meisten eben durchschnittlich.

Es ist für Klubs in der obersten Liga also schwierig, Trainer zu finden, die kontinuierlich bessere Ergebnisse einfahren und bereits Erfahrung in der Liga gesammelt haben. Dazu kommt, dass diejenigen, auf die das zutrifft, bereits vergeben sind und zudem auch ins Ausland gehen (Stöger, Schmidt). Wenn ein Trainer danach auch noch in punkto Spielphilosophie und Transferpolitik zum Klub passen soll, wird es vor allem für kleinere Vereine beinahe unmöglich, einen Trainer mit Bundesligaerfahrung zu bekommen. Klubs müssen dementsprechend ihr Blickfeld erweitern und entweder in niedrigere Spiellassen schauen (wo sich beispielsweise Damir Canadi hervorragend schlug, bis er eine Chance weiter oben bekam) oder in ausländische Ligen, die niedriger einzuschätzen sind als die österreichische und deren Personal deshalb bereit ist, hierher zu kommen (zum Beispiel Thorsten Fink, wobei der natürlich auch schon weiter oben gearbeitet hat).

Graphik 3

Dass der Trainermarkt einigermaßen effizient funktioniert, gute Trainer also lange im Amt sind und weniger gute dementsprechend weniger, zeigt auch Graphik 3. Tendenziell stehen Trainer an der Seitenlinie, solange sie mehr Punkte holen als erwartet. Natürlich gibt es auch einige unterhalb der Regressionsgeraden, aber das ist logisch (sonst wäre es keine Regressionsgerade). Aber wirklich verstörend wäre es nur, wenn Coaches in diesem Diagramm weit rechts und weit unten aufschienen. Das jedoch ist nicht der Fall. Von den Trainern mit mehr als 55 Spielen (der natürliche Logarithmus davon ist 4, also in der Graphik Bjelica, Canadi und Knaller sowie alle rechts davon) holte keiner weniger als 0,25 Punkte pro Spiel unter dem Erwartungswert. Die meisten von ihnen holen in etwa so viele Punkte wie man erwarten kann. Von denen, die mehr Punkte als erwartet holten und die weniger Spiele im Amt waren, sind die meisten entweder Interimstrainer, der bereits erwähnte Sonderfall Lederer/Baumeister oder Thorsten Fink, der aus logischen Gründen noch keine lange Amtszeit haben kann, allerdings wahrscheinlich eine haben wird. Vereine sind bei der Trainerauswahl also weitgehend rational, wenn man Punkteausbeute als Indikator für die eigenen Ziele herannimmt.

Damit kommen wir zu Unterschieden zwischen den Verein, was die Trainerausbeute betrifft. Graphik 4 vergleicht die Vereine, die in den letzten fünf Saisonen in der Bundesliga vertreten waren, und zeigt, wie viele Punkte die Trainer in diesem Vereine mehr oder weniger geholt haben als man erwarten konnte. Die schwarzen Querlinien in den Boxplots weisen auf die Medianwerte hin, die blauen Punkte auf die Durchschnittswerte. Unterschiede zwischen Median und Durchschnitt weisen auf ungleiche Verteilungen hin, was jedoch bei niedrigen Fallzahlen kein Wunder ist. Geordnet sind die Klubs der Größe nach dem Mittelwert.

Graphik 4

Es zeigt sich, dass einige Vereine durchaus regelmäßig bei der Trainerauswahl richtig liegen. An der Spitze liegt der SCR Altach, der wie schon gezeigt der effizienteste Klub der letzten Spielzeiten in der Liga ist und daher wenig überraschend auch diese Wertung anführt, auch weil er bisher nur einen einzigen Trainer im Untersuchungszeitraum hatte. Sollte Canadi einmal einen wohlverdienten Vertrag bei einem höheren Verein unterschreiben, wird es spannend zu beobachten, ob Altach da ein einmaliger Glücksgriff gelungen ist oder ob mehr dahintersteckt. Das kann man beispielsweise mit einiger Sicherheit schon von der Admira behaupten, die zwar auch einige Ausreißer nach unten hatte, allerdings seit Jahren mit einer der nominell schwächsten Mannschaften in der Liga verbleibt und auch immer wieder gute junge Spieler durchbringt. Auch Rapid und Ried muss man positiv erwähnen, obwohl beiden einmal im Untersuchungszeitraum ein recht grober Schnitzer passiert ist (Pacult und Kolvidsson, repräsentiert durch einzelne Punkte weit unterhalb der Boxplots). Dahinter beginnt das Mittelfeld, Klubs deren Trainer in etwa so abschnitten, wie man annehmen konnte (das sind wie wir gesehen haben auch die meisten). Dieses Mittelfeld umfasst Grödig, Sturm, Wiener Neustadt und Salzburg (das generell in all diesen Wertungen vielleicht etwas zu schlecht wegkommt, da sie nur Meisterschaftsspiele berücksichtigen, Salzburg jedoch auch im Cup und international während der letzten fünf Jahre mehr erreichte als irgendein anderer Klub der Liga).

Mit der Wiener Austria beginnen die Nachzügler. Ihre Werte sind insgesamt schon recht weit unter der Nulllinie, allerdings gelang ihr auch die Saison mit dem besten Wert über den Erwartungen. Dass ihr Peter Stöger und seine Rekordsaison jedoch eher passiert ist als dass es so geplant war, zeigen die fünf Trainer in den zweieinhalb Jahren seit seinem Abgang.

Hinter der Wiener Austria wiederum liegen die Klubs, die eindeutig zu häufig falsch lagen bei ihren Trainerentscheidungen. Vier der fünf Teams sind in der Zwischenzeit abgestiegen, das fünfte ist in akuter Abstiegsgefahr. Dass das nicht immer nur die Schuld der Trainer sein wird, zeigt das Beispiel LASK, der lediglich eine einzige Saison im Untersuchungszeitraum in der obersten Liga spielte. In dieser Spielzeit verheizte er drei Trainer, die allesamt zwischen knapp einem halben und knapp einem ganzen Punkt unter den Erwartungen lagen. Wenn alle Trainer derartig daneben liegen, könnte es durchaus noch andere Gründe für die sportliche Misere geben.

 
Graphik 5

Der LASK ist dementsprechend auch der negative Höhepunkt der letzten Graphik dieses Beitrags. Zwar hat er sowohl viele Trainer verbraucht als auch wenige Punkte geholt, allerdings das noch dazu in einem besonders hohen Ausmaß. Bei keinem anderen Verein wurden die Trainer in den letzten Jahren so schnell verschlissen wie beim LASK im Abstiegsjahr, selbst beim Trainerfriedhof in Favoriten konnten sie sich im Schnitt doppelt so lange halten (was immer noch mehr im Schnitt mehr als einen Trainerwechsel pro Saison bedeutet).

Es zeigt sich jedenfalls, dass sich richtige Entscheidungen auf dem Trainersektor, die personelle Kontinuität auf dieser Position ermöglichen, generell auszahlen. Je länger die Trainer bei einem Verein im Amt sind, desto mehr Punkte holen sie auch über dem Erwartungswert (mit Ausnahme von Mattersburg, dort ticken die Uhren offensichtlich etwas anders). Altach beispielsweise zeigt, dass man beim Festhalten am Trainer, auch wenn es zeitweise wie heuer zu Saisonbeginn punktemäßig nicht besonders gut läuft, mindestens gleich gut fährt wie mit dem Prinzip Hire and Fire (was wiederum zumindest teilweise daran liegt, dass die meisten Trainer eben keine besonders gute Punkteausbeute haben). Auch Wiener Neustadt konnte sich mit Geduld und Kontinuität lange Zeit in der obersten Liga halten und damit viele besser eingeschätzte Konkurrenten, die eher der "Logik" des Fußballgeschäfts folgten, hinter sich lassen.

Natürlich ist das nicht notwendigerweise eine derart kausale Beziehung. Es ist auch gleich denkbar, dass die Trainer im Amt bleiben, weil sie Punkte holen, und nicht Punkte holen, weil sie im Amt sind. Mit den Daten, die ich zur Verfügung habe, kann ich die Richtung des Kausalpfeils nicht determinieren, vor allem, weil eben tatsächlich oder vermeintlich schlechte Trainer frühzeitig ausgesiebt werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Trainer durchaus eine Rolle spielen können beim Zusammenkommen der Ergebnisse der Teams, die sie betreuen. Allerdings trifft das längst nicht auf alle zu; die meisten von ihnen holen in etwa so viele Punkte, wie man von der betreuten Mannschaft auch erwarten kann (zumindest langfristig). Bei den meisten gleichen sich gute und schlechte Spielzeiten aus. Nur wenigen gelingt es, dauerhaft über den Erwartungen zu bleiben. Diese sind dann entweder langfristig beschäftigt, gehen ins Ausland oder sind zu alt (Gludovatz), um anderen Klubs, die auf Trainersuche sind, zu Hilfe zu kommen. Dies macht diese Trainersuche in einem kleinen Markt wie Österreich umso schwerer, vor allem kleine Klubs müssen dabei also innovative Strategien anwenden, um dauerhaft die Erwartungen zu übertreffen.

Sonntag, 3. Januar 2016

Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und sportlichem Erfolg: Marktwert

Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und sportlicher Leistung von Fußballklubs ist mittlerweile ein allgemein bekanntes Faktum. Über je mehr Ressourcen ein Verein verfügt, umso besser schneidet er tendenziell punktemäßig ab. Der Economist hat errechnet, dass die Korrelation zwischen den Ausgaben für Spielergehälter und Punkten am Ende der Saison in der englischen Premier League zwischen den Jahren 1996 und 2014 0,55 betrug, also ein recht hohes Maß erreicht. Gemäß den Berechnungen des Ökonomen Stafan Szymanski in seinem Buch Money and Soccer. A Soccernomics Guide erreicht die Korrelation zwischen den beiden Variablen im selben Wettbewerb sogar noch höhere Ausmaße, und wuchs außerdem im Verlauf der vergangenen Jahre (seit der Gründung der Premier League in der heutigen Form 1992) noch an.

Die kausale Verbindung zwischen den ökonomischen Möglichkeiten und dem sportlichen Abschneiden ist klar: Je mehr Geld ein Team zur Verfügung hat, umso bessere Spieler kann es sich leisten, die dementsprechend bessere Resultate einfahren und am Schluss der Saison in der Tabelle weiter oben stehen als Teams mit weniger Ressourcen. Diese Beobachtung basiert auf der Annahme, dass Teams zumindest in einem gewissen Rahmen rational handeln, also nicht übermäßig viel Geld für unterdurchschnittliche Spieler ausgeben beziehungsweise auch gute Spieler nicht zu schlecht bezahlen. Die Tatsache allerdings, dass die Korrelation zwar stark, jedoch nicht perfekt (also bei 1) ist, weist darauf hin, dass wirtschaftliche Stärke zwar der wichtigste, aber nicht der einzige Prädikator für sportlichen Erfolg ist. Es gibt jedoch durchaus Marktineffizienzen und andere Faktoren wie simples Glück oder Pech, Verletzungen sowie die Qualität des Trainers können eine Rolle spielen (man denke nur an die derzeitige Saison von Chelsea FC).

Die Tatsache, dass diese Erkenntnisse vor allem auf Daten aus dem englischen Fußball beruhen, liegt daran, dass es in England weit mehr Transparenz der Klubfinanzen gibt und deshalb deren Bilanzen bis weit in vergangene Jahrzehnte zurück vorliegen (Szymanskis Berechnungen fußen auf Daten aus dem Zeitraum 1958 bis 2013 aus den ersten vier englischen Ligen). Auch die amerikanische Major League Soccer ist zumindest bezüglich der Spielergehälter ein Vorreiter. Im österreichischen Klubfußball ist diesbezüglich doch ein Defizit festzustellen, dass erst in den letzten Jahren langsam geschlossen wird. Seit einigen Saisonen veröffentliche das Onlinemagazin 90minuten wirtschaftliche Kenndaten der Klubs der ersten und zweiten Bundesliga. Damit existiert die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Möglichkeiten und sportlichem Erfolg im österreichischen Klubfußball zu untersuchen.

Dieser Beitrag analysiert diesen Zusammenhang in zwei Teilen. In diesem ersten Teil benütze ich als Indikator für wirtschaftliche Stärke den Marktwert der Teams laut der Website Transfermarkt. Dieser Wert ist, wie ich in einem früheren Beitrag gezeigt habe, ebenfalls ein guter Prädikator für den sportlichen Erfolg im Klubfußball. Im zweiten Teil untersuche ich dann den Zusammenhang zwischen Umsatz beziehungsweise Personalkosten und dem sportlichen Erfolg. In beiden Teilen werde ich basierend auf den Ergebnissen Prognosen für die Punktausbeute in der laufenden Saison aufstellen und mit dem derzeitigen Abschneiden vergleichen. Aufbauend auf den Ergebnissen der ersten beiden Teile werde ich zudem in einem separaten Beitrag die Rolle der Trainer analysieren und aufzeigen, welche kontinuierlich mehr Punkte als erwartet holen, welche im erwarteten Bereich liegen und welche darunter. Alle Berechnungen beziehen sich dabei lediglich auf die Bundesliga, möglicherweise werde ich auch in Zukunft die Erste Liga in die Analysen miteinbeziehen.

Der Marktwert eines Teams basiert zwar lediglich auf Schätzungen und ist deshalb kein objektiver Wert, funktioniert allerdings wie bereits recht gut als Indikator für die Qualität eines Teams. Die Logik funktioniert gleich wie bei Umsatz und Gehaltsausgaben; Teams mit mehr wirtschaftlichen Möglichkeiten können bessere Spieler verpflichten beziehungsweise gute Spieler länger halten, weshalb sie sportlich besser abschneiden. Im Gegensatz dazu haben Teams mit weniger zur Verfügung stehenden Mitteln tendenziell qualitativ niedrigere Kader, was sich in niedrigeren Punktzahlen am Saisonende widerspiegelt.

Für die vorliegende Analyse ziehe ich den Durchschnittsmarktwert eines Teams im September einer jeden Saison heran. Zu diesem Zeitpunkt ist das Sommertransferfenster geschlossen, weshalb dieser Wert derjenige ist, mit dem der Großteil der Spiele bestritten werden muss, ohne durch Transfer (egal ob Zu- oder Abgänge) die Qualität des Kaders beeinflussen zu können (mit Ausnahme bereits zuvor vereinsloser Spieler). Zwar ändert sich der Durchschnittsmarktwert eines Teams im Laufe der Saison, allerdings sind diese marginal und korrelieren mit der abhängigen Variable, der sportlichen Performance. Wenn ein Team eine gute Saison spielt, steigt tendenziell auch sein Marktwert. Diese Veränderungen in die Berechnungen miteinzubeziehen hieße also möglicherweise, den Zusammenhang zu überschätzen. Der Untersuchungszeitraum in diesem Fall sind die Saisonen zwischen 2010 und 2015, weshalb ich genau 50 Untersuchungseinheiten habe (fünf Saisonen mit jeweils fünf Teams). Der Durchschnittsmarktwert wurde aufgrund der nicht-normalen Verteilung logarithmiert.

Graphik 1 zeigt den Zusammenhang zwischen dem logarithmierten Durchschnittsmarktwert und den Punkten am Ende der Saison. Die blaue Linie zeigt die lineare Regressionsgerade, die grauen Schatten 95%-Konfidenzintervalle. Der Zusammenhang ist statistisch höchst signifikant, wie nicht anders zu erwarten war. Die Korrelation wiederum erreicht ein Niveau ähnlich dem der Berechnung des Economist. Gut die Hälfte der Varianz der Punkteanzahl der Teams kann mittels des Marktwerts erklärt werden. Die Punkte in der Graphik wurden je nach Team unterschiedlich eingefärbt, um bereits erste Rückschlüsse zu ermöglichen, welche Klubs mehr oder weniger Punkte als erwartet holten. Tendenziell finden sich bei allen Teams Punkte sowohl unter als auch über der Regressionslinie, sie spielten also sowohl über- als auch unterdurchschnittliche Spielzeiten in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Graphik 1

Einige der prominentesten Ausreißer nach oben (Teams deren Punkte in der Graphik sehr weit links und weit über der blauen Linie finden) sind Aufsteiger. Teams wie die Admira, Altach und Grödig holten in ihren jeweils ersten Jahren in der Liga in diesem Zeitraum weit mehr Punkte als erwartet. Im Durchschnitt holten die fünf Aufsteiger knapp 17 Punkte mehr in ihrer Premierensaison als ein Team mit gleichem Marktwert geholt hätte. Dieser Umstand wird bei den Prognosen beachtet.

Aufbauend auf einem Regressionsmodell, in dem ich die Punkteanzahl jedes Teams am Saisonende sowohl auf den Durchschnittsmarktwert als auch auf eine Dummy-Variable für die Aufsteiger regressiere, lässt sich für jede Saison für jedes Team die finale Punktezahl prognostizieren und diese mit den tatsächlich erreichten Punkten vergleichen. Diese Differenz summiert für jeden Verein während der fünf Spielzeiten zeigt Graphik 2.

Graphik 2

Am meisten Punkte über den Erwartungen holte dabei Altach, die nicht nur besser als die ohnehin ständig guten Aufsteiger abschnitt, sondern dank eines starken Finish im Herbst wiederum über den Erwartungen liegt. Die SV Ried ist ebenfalls ein konstanter Overperformer. Von den „großen Vier“ sind Sturm und Rapid unter den Teams mit einem positiven Saldo, dazu kommt noch Wiener Neustadt, das sich erstaunlich lange in der obersten Spielklasse halten konnte. Die verbleibenden neun Vereine holten zwischen 2010 und 2015 allesamt insgesamt weniger Punkte als erwartet, wobei die Unterschiede für die meisten im vernachlässigbaren Bereich liegen (etwas Streuung ist bei derartigen Prognosen nicht zu vermeiden, vor allem in einem Spiel wie Fußball, in dem Zufall, Glück, Pech und knappe Entscheidungen eine derart wichtige Rolle spielen). Außerdem können Durchschnittswerte wie die in Graphik 2 auch etwas täuschen; so ist die Wiener Austria zwar insgesamt unterdurchschnittlich, allerdings auch für die beste Saison im gesamten Untersuchungszeitraum verantwortlich (+26,5 Punkte in der Meistersaison 2012/13). Problematische Ausmaße bei der Differenz zwischen erwarteten und tatsächlichen Punkten lösen sich zudem von selbst; die vier schlechtesten Teams in Graphik 2 sind allesamt innerhalb des Untersuchungszeitraums abgestiegen, die nächsten beiden sind zudem für heuer heiße Abstiegskandidaten (die Admira ist für heuer keineswegs über den Berg).

Die Prognosen für die heurige Saison sind in Graphik 3 dargestellt. Neben der prognostizierten Punkteanzahl enthält die Graphiken Fehlerbalken. Diese markieren den Bereich, innerhalb dessen das Team zum Ende der Saison mit 95%iger Wahrscheinlichkeit punktemäßig liegen wird.

 
Graphik 3
 
Die Prognosen lassen eine relativ deutliche Zweiteilung der Liga erkennen. An der Spitze liegt Salzburg, das noch einmal einen Sonderfall darstellt und in jedem Jahr weit vor allen anderen Teams in Bezug auf den Durchschnittsmarktwert liegt. Um nicht Meister zu werden, muss man nicht nur selbst weit unter den Erwartungen liegen, sondern es muss auch ein anderes Team weit über den Möglichkeiten spielen, wie es im Untersuchungszeitraum Sturm 2010/11 und der Wiener Austria 2012/13 gelang. Es ist relativ sicher zu sagen, dass trotz des derzeit noch bestehenden Unterschieds zwischen erwarteten und geholten Punkten (siehe Graphik 4) auch in dieser Saison der Meister wieder Salzburg heißen wird, was sich auch mit anderen Prognosen deckt. Dahinter sind die restlichen „großen Vier“ sowie Mattersburg, das aufgrund der guten Performance der bisherigen Aufsteiger sehr hoch bewertet wird und durchaus um den Europacup mitspielen könnte. 

In der zweiten Hälfte der prognostizierten Tabelle spielen die Teams im Wesentlichen allesamt gegen den Abstieg. Der Erwartungsbereich aller Teams überschneidet sich, womit grundsätzlich viel möglich ist, was sich auch in der derzeitigen Tabellensituation widerspiegelt. Die derzeit weiter vorne befindlichen Teams sind interessanterweise eher die, die am niedrigsten bewertet werden, während sich die beiden am höchsten eingeschätzten Teams aus der zweiten Tabellenhälfte (Ried und Wolfsberg) am Tabellenende wiederfinden. 

Damit kommen schon wir zur letzten Graphik des Beitrags. Graphik 4 zeigt den Unterschied zwischen der Anzahl an Punkten, die für den derzeitigen Zeitpunkt prognostiziert wurden, und den tatsächlich erreichten Punkten und ordnet die zehn Teams dementsprechend. 

 Graphik 4

Wir sehen, dass gut die Hälfte der Teams mehr Punkte geholt hat als erwartet (dies ist möglich, weil Fußballergebnisse seit Einführung der Dreipunktregel kein Nullsummenspiel mehr sind). Die größte positive Differenz weist dabei die Admira auf, die mehr als zehn Punkte über den Erwartungen geholt hat. So wie im Fall von Grödig sind das Punkte, die im Abstiegskampf von entscheidender Bedeutung sein könnten. Auch die beiden Wiener Vereine konnten mehr Punkte einfahren als erwartet, Altach wie bereits erwähnt ebenso. Sturm liegt hingegen im Bereich des Erwarteten. Auf der anderen Seite liegen Ried und Wolfsberg am Tabellenende, weil die Ergebnisse schlechter waren als erwartet. Das heißt allerdings nicht, dass sie unbedingt schlechter sind als die anderen Teams. Wie ich bereits mehrfach erwähnte, sind Ergebnisse nur schwache Abbilder der tatsächlichen Leistungen und können deshalb über die tatsächliche Qualität eines Teams täuschen. Deshalb ist wohl auch im Abstiegskampf noch vieles möglich.

Mattersburg performt interessanterweise etwas besser (circa drei Punkte) als man von einem Team mit diesem Marktwert erwarten würde, fällt allerdings im Vergleich mit den anderen bisherigen Aufsteigern etwas ab. Es wird sich weisen, ob sie die Serie der starken Aufsteiger im Frühjahr fortsetzen können und dementsprechend in dieser Wertung noch nach oben klettern. Im Falle von Salzburg wiederum erscheint der Trainerwechsel zumindest in Bezug auf die Punkteausbeute gerechtfertigt zu sein.