Sonntag, 3. Januar 2016

Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und sportlichem Erfolg: Marktwert

Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und sportlicher Leistung von Fußballklubs ist mittlerweile ein allgemein bekanntes Faktum. Über je mehr Ressourcen ein Verein verfügt, umso besser schneidet er tendenziell punktemäßig ab. Der Economist hat errechnet, dass die Korrelation zwischen den Ausgaben für Spielergehälter und Punkten am Ende der Saison in der englischen Premier League zwischen den Jahren 1996 und 2014 0,55 betrug, also ein recht hohes Maß erreicht. Gemäß den Berechnungen des Ökonomen Stafan Szymanski in seinem Buch Money and Soccer. A Soccernomics Guide erreicht die Korrelation zwischen den beiden Variablen im selben Wettbewerb sogar noch höhere Ausmaße, und wuchs außerdem im Verlauf der vergangenen Jahre (seit der Gründung der Premier League in der heutigen Form 1992) noch an.

Die kausale Verbindung zwischen den ökonomischen Möglichkeiten und dem sportlichen Abschneiden ist klar: Je mehr Geld ein Team zur Verfügung hat, umso bessere Spieler kann es sich leisten, die dementsprechend bessere Resultate einfahren und am Schluss der Saison in der Tabelle weiter oben stehen als Teams mit weniger Ressourcen. Diese Beobachtung basiert auf der Annahme, dass Teams zumindest in einem gewissen Rahmen rational handeln, also nicht übermäßig viel Geld für unterdurchschnittliche Spieler ausgeben beziehungsweise auch gute Spieler nicht zu schlecht bezahlen. Die Tatsache allerdings, dass die Korrelation zwar stark, jedoch nicht perfekt (also bei 1) ist, weist darauf hin, dass wirtschaftliche Stärke zwar der wichtigste, aber nicht der einzige Prädikator für sportlichen Erfolg ist. Es gibt jedoch durchaus Marktineffizienzen und andere Faktoren wie simples Glück oder Pech, Verletzungen sowie die Qualität des Trainers können eine Rolle spielen (man denke nur an die derzeitige Saison von Chelsea FC).

Die Tatsache, dass diese Erkenntnisse vor allem auf Daten aus dem englischen Fußball beruhen, liegt daran, dass es in England weit mehr Transparenz der Klubfinanzen gibt und deshalb deren Bilanzen bis weit in vergangene Jahrzehnte zurück vorliegen (Szymanskis Berechnungen fußen auf Daten aus dem Zeitraum 1958 bis 2013 aus den ersten vier englischen Ligen). Auch die amerikanische Major League Soccer ist zumindest bezüglich der Spielergehälter ein Vorreiter. Im österreichischen Klubfußball ist diesbezüglich doch ein Defizit festzustellen, dass erst in den letzten Jahren langsam geschlossen wird. Seit einigen Saisonen veröffentliche das Onlinemagazin 90minuten wirtschaftliche Kenndaten der Klubs der ersten und zweiten Bundesliga. Damit existiert die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Möglichkeiten und sportlichem Erfolg im österreichischen Klubfußball zu untersuchen.

Dieser Beitrag analysiert diesen Zusammenhang in zwei Teilen. In diesem ersten Teil benütze ich als Indikator für wirtschaftliche Stärke den Marktwert der Teams laut der Website Transfermarkt. Dieser Wert ist, wie ich in einem früheren Beitrag gezeigt habe, ebenfalls ein guter Prädikator für den sportlichen Erfolg im Klubfußball. Im zweiten Teil untersuche ich dann den Zusammenhang zwischen Umsatz beziehungsweise Personalkosten und dem sportlichen Erfolg. In beiden Teilen werde ich basierend auf den Ergebnissen Prognosen für die Punktausbeute in der laufenden Saison aufstellen und mit dem derzeitigen Abschneiden vergleichen. Aufbauend auf den Ergebnissen der ersten beiden Teile werde ich zudem in einem separaten Beitrag die Rolle der Trainer analysieren und aufzeigen, welche kontinuierlich mehr Punkte als erwartet holen, welche im erwarteten Bereich liegen und welche darunter. Alle Berechnungen beziehen sich dabei lediglich auf die Bundesliga, möglicherweise werde ich auch in Zukunft die Erste Liga in die Analysen miteinbeziehen.

Der Marktwert eines Teams basiert zwar lediglich auf Schätzungen und ist deshalb kein objektiver Wert, funktioniert allerdings wie bereits recht gut als Indikator für die Qualität eines Teams. Die Logik funktioniert gleich wie bei Umsatz und Gehaltsausgaben; Teams mit mehr wirtschaftlichen Möglichkeiten können bessere Spieler verpflichten beziehungsweise gute Spieler länger halten, weshalb sie sportlich besser abschneiden. Im Gegensatz dazu haben Teams mit weniger zur Verfügung stehenden Mitteln tendenziell qualitativ niedrigere Kader, was sich in niedrigeren Punktzahlen am Saisonende widerspiegelt.

Für die vorliegende Analyse ziehe ich den Durchschnittsmarktwert eines Teams im September einer jeden Saison heran. Zu diesem Zeitpunkt ist das Sommertransferfenster geschlossen, weshalb dieser Wert derjenige ist, mit dem der Großteil der Spiele bestritten werden muss, ohne durch Transfer (egal ob Zu- oder Abgänge) die Qualität des Kaders beeinflussen zu können (mit Ausnahme bereits zuvor vereinsloser Spieler). Zwar ändert sich der Durchschnittsmarktwert eines Teams im Laufe der Saison, allerdings sind diese marginal und korrelieren mit der abhängigen Variable, der sportlichen Performance. Wenn ein Team eine gute Saison spielt, steigt tendenziell auch sein Marktwert. Diese Veränderungen in die Berechnungen miteinzubeziehen hieße also möglicherweise, den Zusammenhang zu überschätzen. Der Untersuchungszeitraum in diesem Fall sind die Saisonen zwischen 2010 und 2015, weshalb ich genau 50 Untersuchungseinheiten habe (fünf Saisonen mit jeweils fünf Teams). Der Durchschnittsmarktwert wurde aufgrund der nicht-normalen Verteilung logarithmiert.

Graphik 1 zeigt den Zusammenhang zwischen dem logarithmierten Durchschnittsmarktwert und den Punkten am Ende der Saison. Die blaue Linie zeigt die lineare Regressionsgerade, die grauen Schatten 95%-Konfidenzintervalle. Der Zusammenhang ist statistisch höchst signifikant, wie nicht anders zu erwarten war. Die Korrelation wiederum erreicht ein Niveau ähnlich dem der Berechnung des Economist. Gut die Hälfte der Varianz der Punkteanzahl der Teams kann mittels des Marktwerts erklärt werden. Die Punkte in der Graphik wurden je nach Team unterschiedlich eingefärbt, um bereits erste Rückschlüsse zu ermöglichen, welche Klubs mehr oder weniger Punkte als erwartet holten. Tendenziell finden sich bei allen Teams Punkte sowohl unter als auch über der Regressionslinie, sie spielten also sowohl über- als auch unterdurchschnittliche Spielzeiten in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Graphik 1

Einige der prominentesten Ausreißer nach oben (Teams deren Punkte in der Graphik sehr weit links und weit über der blauen Linie finden) sind Aufsteiger. Teams wie die Admira, Altach und Grödig holten in ihren jeweils ersten Jahren in der Liga in diesem Zeitraum weit mehr Punkte als erwartet. Im Durchschnitt holten die fünf Aufsteiger knapp 17 Punkte mehr in ihrer Premierensaison als ein Team mit gleichem Marktwert geholt hätte. Dieser Umstand wird bei den Prognosen beachtet.

Aufbauend auf einem Regressionsmodell, in dem ich die Punkteanzahl jedes Teams am Saisonende sowohl auf den Durchschnittsmarktwert als auch auf eine Dummy-Variable für die Aufsteiger regressiere, lässt sich für jede Saison für jedes Team die finale Punktezahl prognostizieren und diese mit den tatsächlich erreichten Punkten vergleichen. Diese Differenz summiert für jeden Verein während der fünf Spielzeiten zeigt Graphik 2.

Graphik 2

Am meisten Punkte über den Erwartungen holte dabei Altach, die nicht nur besser als die ohnehin ständig guten Aufsteiger abschnitt, sondern dank eines starken Finish im Herbst wiederum über den Erwartungen liegt. Die SV Ried ist ebenfalls ein konstanter Overperformer. Von den „großen Vier“ sind Sturm und Rapid unter den Teams mit einem positiven Saldo, dazu kommt noch Wiener Neustadt, das sich erstaunlich lange in der obersten Spielklasse halten konnte. Die verbleibenden neun Vereine holten zwischen 2010 und 2015 allesamt insgesamt weniger Punkte als erwartet, wobei die Unterschiede für die meisten im vernachlässigbaren Bereich liegen (etwas Streuung ist bei derartigen Prognosen nicht zu vermeiden, vor allem in einem Spiel wie Fußball, in dem Zufall, Glück, Pech und knappe Entscheidungen eine derart wichtige Rolle spielen). Außerdem können Durchschnittswerte wie die in Graphik 2 auch etwas täuschen; so ist die Wiener Austria zwar insgesamt unterdurchschnittlich, allerdings auch für die beste Saison im gesamten Untersuchungszeitraum verantwortlich (+26,5 Punkte in der Meistersaison 2012/13). Problematische Ausmaße bei der Differenz zwischen erwarteten und tatsächlichen Punkten lösen sich zudem von selbst; die vier schlechtesten Teams in Graphik 2 sind allesamt innerhalb des Untersuchungszeitraums abgestiegen, die nächsten beiden sind zudem für heuer heiße Abstiegskandidaten (die Admira ist für heuer keineswegs über den Berg).

Die Prognosen für die heurige Saison sind in Graphik 3 dargestellt. Neben der prognostizierten Punkteanzahl enthält die Graphiken Fehlerbalken. Diese markieren den Bereich, innerhalb dessen das Team zum Ende der Saison mit 95%iger Wahrscheinlichkeit punktemäßig liegen wird.

 
Graphik 3
 
Die Prognosen lassen eine relativ deutliche Zweiteilung der Liga erkennen. An der Spitze liegt Salzburg, das noch einmal einen Sonderfall darstellt und in jedem Jahr weit vor allen anderen Teams in Bezug auf den Durchschnittsmarktwert liegt. Um nicht Meister zu werden, muss man nicht nur selbst weit unter den Erwartungen liegen, sondern es muss auch ein anderes Team weit über den Möglichkeiten spielen, wie es im Untersuchungszeitraum Sturm 2010/11 und der Wiener Austria 2012/13 gelang. Es ist relativ sicher zu sagen, dass trotz des derzeit noch bestehenden Unterschieds zwischen erwarteten und geholten Punkten (siehe Graphik 4) auch in dieser Saison der Meister wieder Salzburg heißen wird, was sich auch mit anderen Prognosen deckt. Dahinter sind die restlichen „großen Vier“ sowie Mattersburg, das aufgrund der guten Performance der bisherigen Aufsteiger sehr hoch bewertet wird und durchaus um den Europacup mitspielen könnte. 

In der zweiten Hälfte der prognostizierten Tabelle spielen die Teams im Wesentlichen allesamt gegen den Abstieg. Der Erwartungsbereich aller Teams überschneidet sich, womit grundsätzlich viel möglich ist, was sich auch in der derzeitigen Tabellensituation widerspiegelt. Die derzeit weiter vorne befindlichen Teams sind interessanterweise eher die, die am niedrigsten bewertet werden, während sich die beiden am höchsten eingeschätzten Teams aus der zweiten Tabellenhälfte (Ried und Wolfsberg) am Tabellenende wiederfinden. 

Damit kommen schon wir zur letzten Graphik des Beitrags. Graphik 4 zeigt den Unterschied zwischen der Anzahl an Punkten, die für den derzeitigen Zeitpunkt prognostiziert wurden, und den tatsächlich erreichten Punkten und ordnet die zehn Teams dementsprechend. 

 Graphik 4

Wir sehen, dass gut die Hälfte der Teams mehr Punkte geholt hat als erwartet (dies ist möglich, weil Fußballergebnisse seit Einführung der Dreipunktregel kein Nullsummenspiel mehr sind). Die größte positive Differenz weist dabei die Admira auf, die mehr als zehn Punkte über den Erwartungen geholt hat. So wie im Fall von Grödig sind das Punkte, die im Abstiegskampf von entscheidender Bedeutung sein könnten. Auch die beiden Wiener Vereine konnten mehr Punkte einfahren als erwartet, Altach wie bereits erwähnt ebenso. Sturm liegt hingegen im Bereich des Erwarteten. Auf der anderen Seite liegen Ried und Wolfsberg am Tabellenende, weil die Ergebnisse schlechter waren als erwartet. Das heißt allerdings nicht, dass sie unbedingt schlechter sind als die anderen Teams. Wie ich bereits mehrfach erwähnte, sind Ergebnisse nur schwache Abbilder der tatsächlichen Leistungen und können deshalb über die tatsächliche Qualität eines Teams täuschen. Deshalb ist wohl auch im Abstiegskampf noch vieles möglich.

Mattersburg performt interessanterweise etwas besser (circa drei Punkte) als man von einem Team mit diesem Marktwert erwarten würde, fällt allerdings im Vergleich mit den anderen bisherigen Aufsteigern etwas ab. Es wird sich weisen, ob sie die Serie der starken Aufsteiger im Frühjahr fortsetzen können und dementsprechend in dieser Wertung noch nach oben klettern. Im Falle von Salzburg wiederum erscheint der Trainerwechsel zumindest in Bezug auf die Punkteausbeute gerechtfertigt zu sein.

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