Das Spitzenspiel der letzten Runde im ersten
Viertel der zweithöchsten Spielklasse versprach eigentlich eine recht
interessante Partie zu werden, wurde jedoch vor allem in der zweiten Hälfte zu
einem Schaulaufen. Dennoch können einige durchaus interessante taktische
Aspekte aufgezeigt werden.
1. Die Formationen
Beide Teams
traten in der formal gleichen Formation auf; vor der Viererabwehrkette spielten
zwei Sechser, hinter einer Solospitze wurde eine offensive Dreierkette
aufgeboten. Bei den Hausherren wurde dieses System jedoch viel flexibler und
moderner interpretiert als bei den Gästen, die sehr starr die Positionen
hielten und das Spiel generell wie eine typische Auswärtsmannschaft anlegten.
Dabei ging es vor allem darum, nicht wieder drei Gegentore zu bekommen wie in
den bisherigen drei Auswärtspartien, weshalb mit Seidl auch ein gelernter
Sechser vor den beiden Abräumern Prietl und Lovin spielte. Dieser Plan ging
jedoch innerhalb von nur 25 Minuten in der ersten Halbzeit ordentlich in die
Hose.
Graphik 1: Die Startformation von
Austria Lustenau
Während Austria-Coach
Kolvidsson ein im Vergleich zum Vorjahr runderneuertes Team auf den Platz
schickte mit nicht weniger als acht Neuzugängen in der Startelf, war beim SV
Mattersburg kein Feldspieler in der Anfangsformation, der im Abstiegsjahr keine
Bundesligaerfahrung gesammelt hätte. Torhüter Thomas Dau hat als einziger noch
kein Bundesligaspiel bestritten, ihm kann man die klare Pleite jedoch am
wenigsten ankreiden. An mangelnder Erfahrung kann es also nicht gelegen haben,
dass die Mattersburger das Spiel deutlich verloren und über das ganze Spiel zu
keiner zwingenden Torchance im Strafraum kamen.
Graphik 2: Die Startformation des SV
Mattersburg
2. Die Spielanlagen
Die ersten zehn
Minuten ließen bereits die Spielanlagen der beiden Mannschaften erkennen; die
Hausherren setzten auf Ballbesitz im Mitteldrittel und ließen sich von
Mattersburg erst einmal nicht aus der Reserve locken. Die Gäste positionierten
sich enorm tief und standen grundsätzlich nur (mit zeitweiliger Ausnahme von
Stoßstürmer Klemen) in der eigenen Hälfte. Bei Balleroberung in der eigenen
Hälfte wurde der Ball meist weit und hoch nach vorne gespielt und sollte vor
allem von Klemen weiterverarbeitet werden, der dafür auch oft auf die Seiten
auswich. Aufgrund zu langsamen Vorrückens seiner Mitspieler fand er jedoch
wenig Anspielstationen und wenn, dann fehlte er oft bei deren Hereingaben in
der Mitte. Dazu kamen in vielen vielversprechenden Kontermöglichkeiten
mangelnde Präzision im Zuspiel und technische Mängel bei der Ballannahme.
Deshalb kam Mattersburg in Halbzeit 1 nur zu einem einzigen ernstzunehmenden
Torschuss, und das erst beim Stand von 3:0.
Lustenau hielt
den Ball hingegen in den eigenen Reihen und positionierte sich hoch, ohne
anfänglich viel Risiko zu nehmen. Interessant war vor allem das kollektive
Positionsspiel, das die Gastgeber praktizierten. So kippte situationsbedingt
einer der beiden Sechser Fall oder Bolter nach hinten ab, um mit den beiden
Innenverteidigern eine Dreierkette zu bilden. Diese Vorgehensweise ist zwar
nicht neu und wird beispielsweise vom FC Barcelona schon seit Jahren
praktiziert, interessant ist allerdings, das dafür keiner der beiden Sechser
fix vorgesehen ist, sondern situationsbedingt einer der beiden in diese Rolle
schlüpft. Die Dreierkette bot den Außenverteidigern die Möglichkeit, weit nach
vorne zu schieben und mit den offensiven Außenstürmern offensive Pärchen zu
bilden, womit die beiden Mattersburger Außenverteidiger in Hälfte 1 häufig
überfordert waren. Vor allem der ballferne Außenverteidiger positionierte sich
weit vorne, was seinem Kollegen auch die Möglichkeit gab, einzurücken, woraus
beispielsweise das 3:0 durch Schreter resultierte.
Sehr flexibel
wurden die Positionen wiederum von den zentralen Offensivspielern Thiago und
Salomon interpretiert; sie orientierten sich sowohl auf die Flügel, um dort
Anspielmöglichkeiten zu bieten und Überzahlsituationen zu schaffen, rochierten
aber auch miteinander sehr viel, wodurch sie von der Mattersburger Defensive,
trotz deren prinzipieller Überzahl im Zentrum, nie in den Griff bekommen
wurden.
Auf den seltenen
Ballbesitz der Burgenländer reagierten die Gastgeber mit aggressivem Pressing,
vor allem ab dem Mitteldrittel und dahinter. Obwohl das Pressing nur selten
kollektiv und systematisch angewandt wurde, bekam es den Mattersburgern gar
nicht. Einerseits verloren sie viele Bälle schnell wieder, ohne Gefahr kreieren
zu können, andererseits waren sie nach den Ballverlusten defensiv völlig
unorganisiert, was die Tore zum 2:0 und 3:0 verursachte. Auch die
Standardsituation, die dem 1:0 voranging, resultierte aus einer schnellen
Balleroberung Lustenaus in der gegnerischen Hälfte und einem deshalb notwendig
gewordenen taktischen Foul. Nach dem 4:0, das zwar insgesamt auch durch viel
Pech für Mattersburg verursacht wurde, allerdings wiederum wie das 1:0 enorme
Schwächen bei der Zuordnung bei Defensivstandards offenbarte, war das Spiel de
facto entschieden.
3. Zweite Halbzeit
Mattersburg-Coach
Tatar reagierte naturgemäß auf die inferiore Leistung seiner Mannschaft in der
ersten Hälfte. Statt Lovin brachte er als zweiten Stürmer Pink, Seidl rückte
nach hinten und bildete mit Prietl das defensive Mittelfeldduo. Außerdem
tauschten Höller und Farkas auf der rechten Seite die Positionen; Höller
agierte ab dem als Außenverteidiger, der defensiv in der ersten Halbzeit oft
überforderte Farkas agierte offensiver und brachte auch etwas Schwung in das
Offensivspiel der Burgenländer, die fortan mit vielen hohen Flanken aus dem
Halbfeld auf das Sturmduo agierten, was allerdings auch kaum für Gefahr für das
Tor von Knett sorgte. Nicht nur formal, sondern auch strategisch änderte sich
das Mattersburger Spiel in der zweiten Hälfte. Man positionierte sich höher und
agierte bei gegnerischem Ballverlust konzentrierter und aggressiver, womit man
Lustenauer Torchancen weitgehend verhindern konnte, auch weil diese ihr
Offensivbemühungen beinahe komplett eingestellt hatten. Das Konterverhalten der
Gäste wiederum blieb weiterhin mangelhaft, weiterhin wurden hauptsächlich hohe,
weite Bälle nach vorne gespielt, die von den Lustenauern dankbar erobert
wurden.
Graphik 3: Die Mattersburger
Formation nach den Umstellungen in Halbzeit 2
Mitte der
zweiten Halbzeit wurde das Mattersburger System komplett umgestellt; der junge
Karanezi ersetzte den kaum präsenten Röcher und reihte sich als
Linksverteidiger ein, womit auch auf der anderen Seite die
Außenverteidigerposition neu besetzt wurde. Rath spielte dafür fortan offensiver.
Außerdem wurde Malic nach vorne gezogen, womit defensiv nur eine Dreierkette
übrigblieb. Malic ordnete sich hinter den Stürmern ein und sollte nun selbst
die hohen Bälle weiterverarbeiten und auch im Strafraum selbst für Gefahr bei
hohen Flanken sorgen, schaffte es allerdings auch nicht, Torhüter Knett
ernsthaft in Bedrängnis zu bringen.
Die Gastgeber
wiederum konnten sich in der zweiten Halbzeit schonen. Sie beschränkten sich
meist darauf, den Ball möglichst lange in den eigenen Reihen zu halten und
wenig Risiko zu gehen. Die durchaus vorhandenen Räume, vor allem nach den
erwähnten Umstellungen bei Mattersburg, wurden kaum genützt, man verzichtete
fast komplett auf Konter. Stattdessen wurden Kräfte eingespart und darauf
geachtet, das Zentrum wie auch schon in Hälfte 1 besetzt zu halten und den
Mattersburgern nur die Option der niemals gefährlich werdenden hohen Bälle von
der Seite offen zu lassen.
Bild 1: Die Lustenauer Austria im
Ballbesitz. Gut zu erkennen: Die Dreierkette mit Fall und den Innenverteidigern
sowie das nicht vorhandene Pressing der Mattersburger. Auch wenn diese
Situation aus der Schlussphase stammt, kann sie doch als symptomatisch für das
gesamte Spiel angesehen werden.
4. Fazit
Durch die vielen
Tore, die den Lustenauern innerhalb von nur 25 Minuten in der ersten Hälfte
gelangen, konnte aus dem Spiel keine wirklich spannende Partie werden, obwohl
sie durchaus interessante Details zu bieten hatte. Hierzu zählen auf Lustenauer
Seite die situationsbedingte Dreierkette in Ballbesitz, die hohe Positionierung
der Außenverteidiger, die einrückenden Außenstürmer und die flexibel spielenden
zentralen Offensivspieler Thiago und Salomon. Mattersburg wiederum setzte auf
hohe Bälle und tiefe Positionierung, packte erst Mitte der zweiten Hälfte so
etwas wie die Brechstange aus und löste die Viererkette auf. Allerdings konnte
dies die Versäumnisse der ersten Halbzeit, vor allem schwaches Konterverhalten
und defensive Unordnung, nicht mehr ausgleichen, womit der Lustenauer Sieg auch
in dieser Höhe gerecht erscheint. Nach Anlaufschwierigkeiten in der Saison
zeigen die Vorarlberger damit, dass sie durchaus bundesligareifen Fußball
zeigen können, während für die Burgenländer die Mission Wiederaufstieg in
dieser Verfassung keine realistische Möglichkeit zu sein scheint.
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