Eine kleine
statistische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen erzielten und erhaltenen
Toren und der Punkteanzahl. Mittels der Daten aus den zwölf abgelaufenen
Saisonen kann gezeigt werden, dass die Anzahl der Punkte eher von der Anzahl
der erzielten Tore als von der Anzahl der Gegentore abhängt. Die Annahme, die
dem Satz zugrunde liegt, entspricht also zumindest in der österreichischen
Bundesliga nicht der Realität.
1. Einleitung
Der Satz „Offence wins games, but defence wins championships“, also zu Deutsch „Die Offensive gewinnt Spiele,
aber die Defensive gewinnt Meisterschaften“, ist vielen Fußballanhängern
sicherlich geläufig. Die Annahme, dass sich im Verlauf einer Meisterschaft, die
üblicherweise knapp vierzig Spielrunden andauern, eine gute Defensive besser
auswirkt als eine gute Offensive, ist also weit verbreitet.
Aber ist da auch etwas dran? Präziser gefragt: Lässt
sich eine solche Tendenz auch in der österreichischen Bundesliga feststellen?
Hält sie statistischen Methoden stand?
Um diese Frage beantworten zu können, wurden die
letzten zwölf vorhergehenden Saisonen, also von 2000/01 bis 2011/12,
untersucht. Die Daten wurden dabei in drei verschiedene Teilgruppen eingeteilt:
Einerseits alle Teams (n=120), um den Einfluss der Toranzahl auf die
Punkteanzahl insgesamt zu untersuchen; zweitens alle Meister (n=12), um zu
prüfen, ob denn der oben zitierte Satz in der österreichischen Liga so stimmt;
und drittens einige ausgewählte Nichtabsteiger (n=30), um zu erforschen, ob es
für den Ligaerhalt besser ist, mehr Tore zu schießen, oder eher weniger Tore zu
erhalten (idealerweise natürlich beides, aber das gilt für alle Teams). In
diese letzte Gruppe fallen alle Teams, die Rang 8 und 9 in den Saisonen belegt
haben, sowie zusätzlich alle jene, die nach dem letzten Spieltag zehn oder
weniger Punkte Vorsprung auf den Absteiger hatten.
2. Daten
Zuerst wurden die Daten graphisch in Form
dreidimensionaler Scatterplots dargestellt (siehe Graphiken 1-3). Die erste
Graphik, in der die Daten aller Teams dargestellt sind, zeigt den logischen und
erwarteten Zusammenhang zwischen der Anzahl an Toren, Gegentoren und Punkten:
Ein Band an Datenpunkten, das einigermaßen linear von links vorne oben in der
Graphik (wenige Tore und Punkte, viele Gegentore) nach rechts hinten unten
(viele Tore und Punkte, wenige Gegentore) führt.
Graphik 1
Der Großteil der Teams bewegt sich naturgemäß im
Mittelfeld. Der Durchschnitt der Tore (und damit auch der Gegentore) beträgt
über den gesamten Zeitraum 48,9. Während es jedoch einige Ausreißer nach oben
in der Graphik gibt, also Teams mit übermäßig vielen Gegentoren, gibt es weniger
davon nach rechts, also solche, mit „zu vielen“ Toren. Das ist bereits ein
interessanter Hinweis auf die tatsächliche Natur des Zusammenhangs (die
Standardabweichung über den gesamten Zeitraum beträgt 12,52 bei den Toren und
13,96 bei den Gegentoren).
Graphik 2
Bei der Reduktion der Darstellung nur auf die
Meistermannschaften der zwölf untersuchten Saisonen ist die Tendenz naturgemäß etwas
anders (siehe Graphik 2; beim Vergleich der unterschiedlichen Graphiken sind
die unterschiedlichen Intervalle auf den Achsen zu beachten). So geht die Linie
eher von links vorne unten weniger Tore, Gegentore und Punkte) nach rechts
hinten oben (viele Tore, Gegentore und Punkte).
Allerdings fallen, auch bedingt durch die niedrigere
Fallzahl, zwei Ausreißer auf: einerseits einer links vorne, also mit wenigen
Toren und Punkten, und einer rechts hinten oben, also mit vielen Toren, aber
auch besonders vielen Gegentoren. Bei beiden Teams handelt es sich um
Meistermannschaften von RB Salzburg. Bei erstgenanntem handelt es sich um das
Team von 2011/12, also dem letzten Jahr der Untersuchung, als wenige Punkte und
Tore für den Titel reichten. Zweitgenannter Ausreißer ist das Team der Saison 2008/09,
das unter Co Adriaanse die meisten Tore aller Meister erzielte, aber auch die
mit Abstand meisten Gegentore erhielt.
Graphik 3
In Graphik 3 wiederum sind die Daten der
ausgewählten Nichtabsteiger abgebildet. Auch bei ihnen zeigen sich mehr Ausreißer,
außerdem ist die Beziehung zwischen den Variablen nicht mehr so gleichmäßig
linear von links oben vorne nach rechts unten hinten.
3. Berechnung
Nach dieser graphischen Aufarbeitung der Daten folgt
die rechnerische. In Tabelle 1 sind die Korrelationen nach Pearson[1]
zwischen Toren beziehungsweise Gegentoren und den Punkten für jede Saison
einzeln sowie für alle Saisonen zusammen, die Meister und die ausgewählten
Nichtabsteiger aufgeführt. Es zeigt sich, dass die Korrelationen im Zeitverlauf
keinem Trend folgen. In fünf Saisonen ist die Korrelation zwischen Toren und
Punkten höher als zwischen Gegentoren und Punkten, in sieben hingegen ist es
umgekehrt. Das würde für die Richtigkeit der eingangs zitierten Phrase
sprechen. Im langjährigen Mittel ist der Zusammenhang zwischen Toren und
Punkten bei allen Teams jedoch leicht höher als der zwischen Gegentoren und
Punkten. Noch viel größer sind die Unterschiede zwischen beiden Größen bei den
Untergruppen der Meister und Nichtabsteiger, wobei hier jedoch auch die Zusammenhänge
insgesamt kleiner sind. Dieser Befund wiederum spricht für das genaue Gegenteil
des angenommenen Satzes, wonach die Defensive die Meisterschaft gewinnt.
Saison
|
Tore
|
Gegentore
|
2011/12
|
0,9357
|
-0,8206
|
2010/11
|
0,9427
|
-0,9607
|
2009/10
|
0,8598
|
-0,9005
|
2008/09
|
0,8514
|
-0,8620
|
2007/08
|
0,9398
|
-0,9227
|
2006/07
|
0,7896
|
-0,8731
|
2005/06
|
0,6690
|
-0,8903
|
2004/05
|
0,9612
|
-0,9135
|
2003/04
|
0,9820
|
-0,8972
|
2002/03
|
0,6989
|
-0,8061
|
2001/02
|
0,8948
|
-0,8766
|
2000/01
|
0,8728
|
-0,9704
|
Insgesamt
|
0,8477
|
-0,8460
|
Meister
|
0,5143
|
-0,1880
|
Nichtabsteiger
|
0,5035
|
-0,3148
|
Tabelle 1: Korrelationen nach
Pearson zwischen Toren beziehungsweise Gegentoren und der Punkteanzahl,
2000-2012
Um die Frage nun endgültig im Rahmen der erhobenen
Daten zu lösen, wurde eine multiple lineare Regression[2]
für die drei Untergruppen errechnet. Die Daten sind in Tabelle 2 dargestellt.
Es zeigt sich, dass in allen drei Kategorien der substantielle Effekt der
Anzahl der erzielten Tore auf die Anzahl der Punkte höher ist als jener der
Gegentore. Auch hier ist der Effekt zwar in der Gruppe der Meister und
Nichtabsteiger niedriger als in der Gesamtheit der erhobenen Fälle, was
allerdings auch an der niedrigeren Fallzahl liegen kann.
Besonders interessant ist der große Unterschied
zwischen beiden Werten in der Gruppe der Nichtabsteiger. Vor allem hier ist es
also wichtiger, Tore zu erzielen, als möglichst wenige davon zu bekommen.
Ebenfalls ist eine hohe statistische Signifikanz der
Effekte aus der Tabelle abzulesen, es kann also ein zufälliger Zusammenhang
ausgeschlossen werden, was allerdings der Tatsache, dass die von einem Team
erreichte Punkteanzahl in einem Fußballspiel nun einmal eine Funktion der
erzielten und erhaltenen Tore ist, auch nicht allzu sehr verwundern sollte.
Alle Teams
|
Meister
|
Nichtabsteiger
|
|
Tore
|
0,6159**
(0,0325)
|
0.3681**
(0.1041)
|
0.3593**
(0.0892)
|
Gegentore
|
-0.5485**
(0.0291)
|
-0.3315*
(0.1219)
|
-0.1885**
(0.0635)
|
n
|
120
|
12
|
30
|
Standardfehler
in Klammern
*signifikant
für p≤0,05 **signifikant für p≤0,01
|
Tabelle 2: Lineare Regression
4. Fazit
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der
oben zitierte Spruch für den untersuchten Zeitraum in der österreichischen
Bundesliga nicht gültig ist. Vielmehr zeigt sich, dass die Anzahl der Punkte
eher von der Anzahl der geschossenen Tore abhängt als von der Anzahl der
Gegentore. Dieser Befund gilt gleichermaßen für Meister als auch für
Mannschaften im Mittelfeld und solche, die sich vor dem Abstieg retten konnten.
Zumindest in der österreichischen Bundesliga im Zeitraum von 200 bis 2012 galt
also eher der Spruch: „Offence wins games – and championships“. Das ist
einerseits eine gute Nachricht für alle Anhänger des Offensivfußballs, aber
auch ein Hinweis auf die Verantwortlichen, dass sie sich nicht allzu sehr auf
die Verhinderung von Toren fokussieren, sondern ruhig auch öfter selbst den
Torerfolg suchen sollten.
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