Allgemeine Spielanlage
Der SV Mattersburg ist eine der am direktesten spielenden Mannschaften der Liga. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass es ligaweit das Team ist, das am wenigsten den Ball hat (der durchschnittliche Ballbesitz beträgt lediglich 40,6%). Auf geplanten, sauberen Spielaufbau wird offensichtlich wenig Wert gelegt, man spielt mit Abstand die wenigsten Pässe und weist von allen Teams die niedrigste Passquote auf (67,10%). Wenig überraschend spielen die Burgenländer jeden vierten Ball lang, was wiederum der höchste Anteil aller Teams ist. Nach Ballgewinn setzt man also auf direktes Spiel nach vorne, von wo der Ball dann vergleichsweise häufig in den Strafraum geflankt wird; lediglich der WAC (6,2) flankte pro einhundert Pässen den Ball häufiger als die Mattersburger (5,15). Unterstrichen wird der Umschaltfokus durch die Tatsache, dass lediglich die Admira und der WAC einen höheren Anteil (32 bzw. 25%) ihrer Tore aus Kontern erzielten als die Burgenländer (22%).
Neben
dem Fokus auf das Direktspiel fällt die Aktivität der Mattersburger im Pressing
auf. Nach den Salzburgern, den Paten des Spiels gegen den Ball, sind die
Burgenländer die am intensivsten gegen den Ball arbeitende Mannschaft der Liga
(1,49 Defensivaktionen pro Minute gegnerischen Ballbesitzes). Vor allem die
Anzahl abgefangener Bälle ist herausragend; Mattersburg führte diese Wertung
mit 515 deutlich an. Der Abstand zum zweitbesten Team ist so groß, dass er pro
Spiel beinahe acht abgefangene Bälle beträgt. Unter den zehn Spielern mit den
meisten abgefangenen Bällen pro 90 Einsatzminuten sind mit Jano, Rath, Ortiz,
Malic und Erhardt gleich fünf Mattersburger; interessanterweise fünf zentrale
Spieler, was ein Hinweis auf den Zentrumsfokus im Spiel gegen den Ball ist.
Graphik: Fouls und gelbe Karten im Vergleich zum Ligaschnitt
Dazu
kommt, dass sich Mattersburg oft auch unlauterer Mittel bedient, um das
gegnerische Spiel zu stören. Sowohl bei den Fouls als auch bei den gelben
Karten ist die Mannschaft überdurchschnittlich und diejenige mit den
zweithöchsten Werten der Liga (siehe Graphik). Zwar kann dadurch häufig der
gegnerische Spielaufbau unterbunden werden, allerdings birgt diese Strategie
angesichts der Schwäche der Mattersburger bei gegnerischen Standards durchaus
auch Gefahren.
Grundformationen
Im
Verlauf der bisherigen Saison setzte Trainer Baumgartner zwei verschiedene
Grundformationen ein. Während zu Saisonbeginn und seit Mitte Oktober auf das
aus der Vorsaison gewohnte System mit Doppelsechs vertraut wurde, setzte man
zwischendurch, vor allem auswärts oder zuhause gegen starke Gegner, auf die
Variante mit drei zentralen Mittelfeldspielern. Die Viererkette ist ebenso wie
der einzelne zentrale Stürmer in der bisherigen Saison Standard gewesen.
Im
Spiel mit dem Ball ergeben sich kaum Unterschiede zwischen den beiden Systemen,
man spielte in der Formation mit Dreiermittelfeld zwar im Schnitt etwas mehr
Pässe und einen höheren Anteil davon lang, die Unterschiede in der
Passgenauigkeit und der Lokalisierung der Pässe (circa jeder dritte jeweils im
Angriffsdrittel) sind jedoch zu vernachlässigen. Mit Doppelsechs hat man im
Schnitt etwas mehr vom Ball, was jedoch auch der höheren Qualität der Gegner in
den Spielen mit Dreiermittelfeld geschuldet sein kann.
Graphik: Unterschiedliche Grundformationen: Je größer der Name, desto mehr Pässe pro 90 Einsatzminuten. Je größer derPunkt, desto höher die Passquote.
Auch
in der Intensität des Pressings und die Umschaltgeschwindigkeit nach Ballgewinn
sind lediglich marginal, im 4-3-3 spielte man pro Schuss zwei Pässe mehr. Die
vorherrschende Idee bei der Systemwahl war offensichtlich, mit einem
verdichteten Zentrum im 4-3-3 etwas tiefer zu pressen, ohne die allgemeine
Spielanlage allzu sehr verändern zu müssen.
Von
den Spielen, in denen auf ein Dreiermittelfeld gesetzt wurde, konnte jedoch
keines gewonnen werden konnte und die Mannschaft holte im Schnitt weniger als
halb so viele Punkte. Man konnte auch weniger Chancen herausspielen konnte und
ließ mehr zu; mit Doppelsechs hat man eine leicht positive Differenz der
Expected Goals (+1,65), mit Dreiermittelfeld eine negative (-0,81). Der
Formationswechsel hat also nicht wie gewünscht funktioniert, deshalb
wahrscheinlich kam es zur Rückkehr in die Stammformation. Ein weiteres
Einsetzen der Alternativformation zumindest in den Spielen vor der Winterpause
erscheint unrealistisch.
Positionen
Im
Tor bestritt Stammtorhüter Kuster bislang alle Partien und ist gesetzt. Von
allen Stammtorhütern der Liga weist er in der bisherigen Saison die niedrigste
Fangquote auf (60% aller Schüsse aufs Tor). Dies liegt mitnichten daran, dass
seine Vorderleute zu viele Großchancen zuließen. Die Chancenqualität der Gegner
hätte im Schnitt für etwa 22 Gegentore gereicht, erhalten hat er aber 30 (ohne
Eigentore) Diese Differenz ist bei keinem Torhüter der Liga größer, weder
absolut noch in Bezug auf die Einsatzzeit gerechnet. Probleme hat er zudem bei
der Strafraumbeherrschung, er fängt lediglich 0,7 Flanken pro 90
Einsatzminuten, was 3,6% der gegnerischen Flanken entspricht, der wiederum
niedrigste Wert aller Torhüter der Liga. Auf jeden Fall ist er ein möglicher Schwachpunkt.
Die
Stamminnenverteidigung bilden Mahrer und Malic, erster Ersatzmann ist César
Ortiz. Die Aufgaben der Spieler auf dieser Position sind eher klassisch
verteilt. Zweikämpfe und vor allem Luftduelle sollen gewonnen werden, vor allem
bei Letzteren sind sie Ligaspitze (72%), was die Verwundbarkeit bei Flanken
relativiert. Im Spielaufbau sind sie jedoch wenig eingebunden, 34 Pässe pro 90
Einsatzminuten ist der niedrigste Wert aller Ligateams. Jeder dritte Pass davon
wird lang gespielt, was der höchste Anteil aller Teams ist und sich mit dem
direkten Umschaltspiel nach Ballgewinn deckt. Der passsichere Ortiz ist
lediglich Option Nummer drei.
Auf
den Außenverteidigerpositionen spielen üblicherweise Höller rechts und Rath
links, wobei letzterer auch im Abwehrzentrum zum Einsatz kam und ersterer vor
allem zu Beginn der Saison häufig eine Linie weiter vorne. Diese
unterschiedlichen Nebenpositionen wirken sich auch auf ihre Interpretation der
Außenverteidigerposition aus. Höller auf rechts ist weit mehr in den
Spielaufbau eingebunden und schaltet sich viel häufiger in das Offensivspiel
ein als Rath auf der linken Seite (siehe Vergleichstabelle). Im ligaweiten
Vergleich ist er jedoch nur ein durchschnittlich offensiver Außenverteidiger.
Florian Hart, der zu Beginn der bisherigen Saison auf beiden Außenpositionen in
der Viererkette zum Einsatz kam, seit September aber keine Minute mehr spielte,
reiht sich was seine Leistungsdaten betrifft zwischen seinen beiden Kollegen
ein.
Spieler
|
Pässe
|
Flanken
|
Torschussvorlagen
|
Schüsse
|
Alois Höller
|
33,78
|
2,55
|
0,92
|
0,41
|
Lukas Rath
|
22,59
|
0,93
|
0,19
|
0,19
|
Alle Werte normiert auf 90 Einsatzminuten.
Im
zentralen Mittelfeld sind unabhängig von der Grundformation Jano und Erhardt
gesetzt, erst in den letzten Spielen konnte sich Seidl in die Startformation
spielen. Beim Einsatz des Dreiermittelfelds war meist Sittsam die erste Wahl.
Wenn Jano neben Erhardt spielte, zeigte sich eine merkwürdige Asymmetrie. Der
Spanier ist sowohl in den kreativen wie auch in den kämpferischen Disziplinen
weit aktiver als sein Kollege. Er spielt pro 90 Einsatzminuten die zweitmeisten
Pässe aller Feldspieler (37,4; Ortiz 43,2) und weist die zweitbeste Passquote
auf (75,9%; Hart 77,7%). Gleichzeitig arbeitet er extrem aggressiv gegen den
Ball; sowohl die 83 abgefangenen Bälle als auch die 67 Tackles sind ligaweit
Spitzenwerte für einen zentralen Mittelfeldspieler. Sowohl am Boden als auch in
der Luft bestreitet er zudem mehr Zweikämpfe als Erhardt und gewinnt anteilsmäßig
mehr als dieser.
Wenig
verwunderlich, dass angesichts der abfallenden Werte Erhardts zunehmend Seidl
in die Startelf drängt. Dieser weist im Gegensatz zu Erhardt zudem offensiv
weit mehr Gefährlichkeit auf; er war in weit weniger Einsatzzeit an mehr
Torschüssen beteiligt (8) als Erhardt (7). Auffallend ist dabei vor allem seine
Qualität bei Standardsituation (siehe Graphik). In Zukunft ist also zu
erwarten, dass die Stammbesetzung in der Mittelfeldzentrale eher aus Jano und
Seidl bestehen wird, sollte die Grundformation mit Doppelsechs beibehalten
werden.
Für
die Positionen in der offensiven Dreierreihe beziehungsweise für die Flügel im
4-3-3 verfügt Coach Baumgartner über eine Reihe an Alternativen, die er auch
regelmäßig nützt. Dazu setzt er dort auch Spieler wie Pink, Prevljak und Höller
ein, die auch auf anderen
Positionen spielen. Wer dort auch spielt, ist
jedenfalls sehr wenig ins Spiel eingebunden; die Offensivspieler spielen
nirgends so wenige Pässe pro Einsatzzeit wie bei Mattersburg. Leidglich der
meist zentral hinter der Solospitze eingesetzte Perlak kommt mit knapp 30
Pässen pro 90 Einsatzminuten auf einen überdurchschnittlichen Wert; sonst ist
die Aufgabe der Spieler im Offensivbereich hauptsächlich, den Ball in die Box
zu bringen (nur beim WAC und bei Sturm flanken diese Spieler mehr). Auch selbst
zum Abschluss zu kommen, ist kaum ihre Aufgabe (nur bei den Wolfsbergern geben
die Spieler auf diesen Positionen weniger Schüsse pro 90 Minuten ab).
So
verwundert es kaum, dass die Spieler im Offensivbereich vergleichbar wenig
Torgefahr ausstrahlen; von den acht Spielern mit der höchsten xG-Beteiligung im
Kader sind nur zwei, die bisher ausschließlich auf dieser Position zum Einsatz
kamen.
Graphik: xG-Beteiligung, Top 8
Wie
auch eine Linie weiter hinten stehen auch auf der zentralen Stürmerposition
unterschiedliche Spielertypen zur Verfügung, die gemäß Matchplan und
spezifischen Anforderungen einer Partie eingesetzt werden können. Insgesamt ist
die Rolle der Stürmer auf die klassischen Funktionen beschränkt, sie spielen
nur durchschnittlich viel mit und beteiligen sich auch nicht besonders intensiv
am Pressing. Interessanterweise ist der eher nicht als mitspielende Stefan
Maierhofer derjenige, der sich am meisten am Spiel beteiligt; er spielt pro 90
Einsatzminuten sogar doppelt so viele Pässe wie Smail Prevljak. Er leistet
dementsprechend auch die mit Abstand meisten Torschussvorlagen. Bei den eigenen
Abschlüssen gibt es hingegen zwischen Pink, Maierhofer und Prevljak keine
signifikanten Unterschiede.
Standards
Die
letzte Graphik dieses Beitrags zeigt die erzielten (schwarz) und erhaltenen
(rot) Tore pro Mannschaft in der laufenden Saison. Der SV Mattersburg ist dabei
in beiden Kategorien ganz vorne dabei, wie auch der LASK
und Sturm Graz. Das Paradox, dass ein Team sowohl gut als auch schwach bei Standardsituationen sein kann, wäre sicher
eine detailliertere Untersuchung wert.
Graphik: Tore und Gegentore aus Standardsituationen
Fazit
Der
SV Mattersburg wird höchstwahrscheinlich nicht absteigen. Die xG-Differenz
(ohne Strafstöße) des Teams ist positiv, man liegt damit auf Rang fünf in
dieser Wertung. Dazu hat man sich bereits einen relativ beruhigenden Vorsprung
auf den letzten Tabellenplatz erarbeitet. Seit Gerald Baumgartner das Team
übernommen hat, weist es einige Merkmale auf, die es von einem
Durchschnittsteam der Liga unterscheiden und auch zu einer Bereicherung der
Liga machen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass es durchaus Aspekte gibt, die
zu verbessern sind; dazu zählen das Spiel mit dem Ball, das Torwartspiel und
die Schwäche bei gegnerischen Standards.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen