Bereits nach vier Spieltagen war man fix für die nächste Runde qualifiziert, nach dem fünften Spiel in der Gruppenphase war man auch nicht mehr von Platz 1 in der Gruppe D zu verdrängen. Nebenbei ist der österreichische Tabellenführer auch das Team mit den meisten erzielten Toren (16), womit bereits nach fünf Spielen mehr Tore erzielt wurden als bei jedem anderen bisherigen Antreten in diesem Bewerb (die Bestmarke von 15 Toren stammt aus dem Vorjahr). Deshalb kann im heutigen letzten Speil auch noch der historischen Rekord (18) gebrochen werden. Insgesamt sind die Zahlen des FC Red Bull Salzburg in der heurigen Gruppenphase der Europa League also doch recht erstaunlich, was allerdings auch die Frage nach den Gründen für diese herausragenden Ergebnisse aufwirft; vor allem, wenn man bedenkt, dass die direkten Gruppengegner Celtic FC und Dinamo Zagreb in ihren jeweiligen nationalen Ligen eine ähnliche Rolle spielen wie Salzburg in der Bundesliga und in Bezug auf Marktwert, Klub-Koeffizienten und Klub-Elo nicht allzu viel schlechter abschneiden, allerdings auf europäischer Ebene heuer durchaus schlechtere Ergebnisse ablieferten.
Die UEFA veröffentlicht auf ihrer Webseite einige einfache Leistungsstatistiken für alle am Wettbewerb teilnehmenden Vereine, die im Folgenden als Grundlage dienen, um die Ursachen für den Salzburger Erfolgslauf nachzuvollziehen zu versuchen. Die Größe der Grundgesamtheit beläuft sich also auf 48 Einheiten, die den an der Europa League Gruppenphase teilnehmenden Klubs entsprechen; diese Größe ist zwar nicht berauschend, allerdings ausreichend um gewisse statistische Schlüsse zu ziehen.
Auffällig ist bereits, dass Salzburg mit 77% die Mannschaft mit der niedrigsten Passquote aller Teams ist (siehe Graphik 1). Lediglich gut drei Viertel aller Zuspiele landen auch beim eigenen Mann, was allerdings noch mehr sind als in der heimischen Bundesliga, wo die Passsquote 73% beträgt. Keine andere Mannschaft in der Europa League kommt auf eine Quote von unter 80%, für alle Teams liegt der Durchschnitt bei 86,7%. Auch die Gruppengegner der Salzburger liegen deutlich besser als diese, auch wenn sie nicht an die Spitzenreiter Mönchengladbach, Kopenhagen und Dinamo Moskau herankommen.
Graphik 1 |
Allerdings ist eine niedrige Passquote natürlich nicht zwangsläufig ein Indikator für schwache Leistungen. In der Liga hatte man beispielsweise letztes Jahr eine nur unwesentlich höhere Quote und wurde überlegen Meister. In der Europa League hingegen war die Quote laut Whoscored.com mit 72,5% sogar noch niedriger als heuer, und trotzdem schnitt man besser ab als jemals zuvor. Die Passquote eines Teams in der heurigen Gruppenphase korreliert deshalb auch weder mit der Anzahl an geschossenen Toren noch mit den Schussversuchen.
Im konkreten Fall Salzburgs ist sie viel eher das Ergebnis der Spielanlage. Anstatt auf ballbesitzsichernde Passstafetten zu setzen, die eine höhere Passquote bringen würden, wird grundsätzlich nach Ballgewinn schnell der Weg mittels Risikopässen nach vorne gesucht. Die eigene Passquote leidet darunter, allerdings kommt man insgesamt gesehen damit oft und schneller in gefährlichen Zonen zum Abschluss, was die Erfolgschancen der eigenen Angriffsbemühungen signifikant erhöht.
Dies untermauert ein Blick auf die absoluten Zahlen. Salzburg liegt sowohl was die insgesamt gespielten Pässe als auch die Anzahl der erfolgreichen Pässe betrifft im unteren Mittelfeld aller Teams. Bei der Anzahl der Torversuche liegt man mit 83 jedoch auf Platz 5. Wie Graphik 2 anzeigt, besteht zwischen diesen beiden Größen zwar ein signifikanter Zusammenhang, allerdings ist dieser schwach ausgeprägt. Nimmt man die Größe des Zusammenhangs jedoch für einen Moment als Maßstab, zeigt sich, dass Salzburg in dieser Hinsicht einer der Ausreißer nach oben ist (der höchste Punkt stellt den VFL Wolfsburg dar). Bei der Anzahl an gespielten Pässe hätte ein durchschnittliches Team aus der heurigen Gruppenphase etwa 58 Torschüsse abgegeben, also um 25 weniger als Salzburg. Pro Spiel sind das immerhin fünf, was große Unterschiede bezüglich Torerfolg und damit Punkteausbeute hervorrufen kann.
Graphik 2 |
Wenn beide Kennzahlen in Verbindung zueinander gebracht werden, sieht man, wie schnell die Salzburger nach Ballgewinn umschalten und den Torabschluss suchen. Pro Torschuss spielen sie lediglich 19,38 Pässe, was der drittniedrigste Wert aller Teams ist. Lediglich Estoril Praia (15,93) und der VFL Wolfsburg (19,00) kommen noch schneller zum Abschluss als die Salzburger. Die Gruppengegner der Salzburger liegen allesamt nahe dem Mittelwert aller Teams (31,81). Es scheint, also könnte Salzburg auf europäischer Ebene seine Spielanlage noch besser umsetzen als im heimischen Ligabetrieb; in der Bundesliga spielt man pro Torschuss doch um etwas über vier Pässe mehr als in der EL. Zwar kommt man in der Liga auf circa drei Torschüsse mehr pro Spiel, allerdings landen anteilsmäßig in der Europa League mehr davon auch im gegnerischen Tor. Ein Aufschlüsselung nach Position beim Torabschluss wäre deshalb interessant, kann allerdings aufgrund der Datenlage hier nicht erfolgen.
Dieses Trachten nach dem schnellen Torabschluss erklärt auch die eingangs beschriebene niedrige Passquote. Wie in Graphik 3 dargestellt, spielen Teams mit hoher Passquote tendentiell auch insgesamt mehr Pässe, bevor sie zum Abschluss kommen. Zwar ist der Zusammenhang immer noch nicht besonders stark, aber statistisch hoch signifikant, sprich mit über 99%iger Wahrscheinlichkeit nicht zufällig. Eine niedrige Passquote ist also nicht zwangsläufig schlecht; im vorliegenden Fall wird sie zugunsten größerer Gefährlichkeit im Spiel nach vorne sogar gerne in Kauf genommen. Zu erwähnen ist natürlich auch, dass es manche Mannschaften auch schaffen, beide Ziele unter einen Hut zu bekommen. Dinamo Moskau und Dynamo Kiew etwa kommen auf eine weit höhere Passquote als Salzburg, und spielt etwa 25 (Moskau) beziehungsweise 23 (Kiew) Pässe pro Torschuss. Allerdings kommen diese auf weit weniger Tore.
Graphik 3 |
Es zeigt sich nämlich allgemein, dass Mannschaften, die schneller umschalten, auch weit öfter zum Abschluss kommen und deshalb auch zwangsläufig mehr Tore erzielen, obwohl der Zusammenhang im Fall der Toranzahl nur mehr schwach ausgebildet ist. Bei den Torabschlüssen zeigt sich hingegen, dass ein Pass pro Torabschluss mehr bereits dazu führt, dass über ein Schuss pro Spiel weniger abgegeben wird. Im Laufe der Gruppenphase sind das insgesamt etwa sechs Torschüsse, die nicht abgegeben werden, wenn man nur etwas langsamer umschaltet. Zwar sind nicht alle Torschüsse gleich zu gewichten, weshalb auch die Unterschiede in Bezug auf die letztlich erzielten Tore nicht allzu groß sind, allerdings kann dadurch schon die Wichtigkeit des von Salzburg praktizierten Umschaltspiels gezeigt werden. Bei durchschnittlich etwa 62 Torschüssen, also 12 pro Spiel, können sechs mehr oder weniger schon eine durchaus wichtige Auswirkung haben.
Graphik 4 zeigt den Zusammenhang zwischen Passquote, schnellem Umschalten und Torschüssen mittels eines dreidimensioalen Scatterplots. Generell gilt, dass die Anzahl der Torschüsse mit der Schnelligkeit des Umschaltspiels steigt, allerdings auch mit der Passgenauigkeit, was ein wenig dem vorhergehenden widerspricht, beziehungsweise paradox ist, da ja die Passgenauigkeit indirekt proportional zur Schnelligkeit des Umschaltspiels ist. Hier kommt wahrscheinlich der Faktor Qualität ins Spiel, der bislang ausgespart worden war. Mannschaften mit besseren Spielern können den Ball eher in den eigenen Reihen halten und schneller nach vorne spielen, was mit den bisherigen Modellen, die alle Teams einheitlich behandelten, nicht berücksichtigt wurde. Es handelt sich bei dem Zusammenhang zwischen Torschüssen, Passquote und Umschaltspiel also wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad um eine Scheinkorrelation, obwohl das Ausmaß dieser schwierig zu modellieren ist.
Graphik 4 |
Wenn man die Variablen mit der Anzahl der Torschüsse jedoch mittels Regressionsgleichung analysiert, kommt man für Salzburg dennoch "nur" auf einen Wert von 66 Torschüssen, also auch wenn man die bedenkt, dass der Zusammenhang unter Umständen überschätzt wird, sind es doch noch einige Torschüsse mehr als erwartet.
Obwohl Torschüsse insgesamt nur schwach mit der Anzahl an Toren korrelieren, kann neben dem schnellen Umschalten ein zweiter Faktor als entscheidend aus den Daten herausgelesen werden, nämlich die Genauigkeit im Abschluss. 52% der Salzburger Torschüsse gehen tatsächlich in Richtung Tor, werden also nicht abgeblockt, landen nicht daneben und treffen auch nicht Aluminium. Nach Everton (58%) und Dynamo Kiew (54%) ist dies der dritthöchste Wert aller Teams. Er ist auch signifikant höher als in der Bundesliga, wo nur etwa 39% der Salzburger Schüsse ihr Ziel finden. Das führt dazu, dass fast ein Fünftel aller Salzburger Torschüsse (19,28%) auch tatsächlich zum Torerfolg führen, was wiederum der drittbeste Wert aller Teams ist, diesmal hinter den Young Boys aus Bern (23,4%) und Everton (22,2%). Auch hier ist man besser als in der Liga, in der nur etwa ein Sechstel der Torschüsse auch zum Erfolg führt.
Die Schnelligkeit vor dem Torabschluss und die Zielgenaugikeit beim Abschluss selbst sind also Erfolgsfaktoren, die Salzburg in der Europa League besser umsetzen kann als in der heimischen Liga und die erklären, warum die Mannschaft von Adi Hütter in Europa besser abschneidet als so manches Team von höherer individueller Qualität.
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