Seit bereits einigen Saisonen sind die Zuschauerzahlen in der österreichischen Bundesliga rückläufig. Allerdings hat man sich auf einem höheren Niveau eingependelt als noch vor zwanzig Jahren, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt man nicht schlecht. Dieser Beitrag untersucht die Entwicklung der Zuschauerzahlen über die Zeit sowie im Vergleich zu anderen europäischen Ligen. Die Daten bezüglich der Zuschauerzahlen stammen von der
Webseite European
Football Statistics.
Bereits zweimal in dieser Spielzeit wurden Partien der
österreichischen Bundesliga vor weniger als 1000 Zusehern ausgetragen. Beide
Male war Grödig die Heimmannschaft und spielte gegen einen der
niederösterreichischen Tabellennachzügler. Mit Ausnahme eines einzigen Spiels
der Admira gegen den GAK im Herbst 2005 waren es zudem die beiden Spiele mit
der niedrigsten Zuschauerzahl der gesamten Bundesligageschichte. Dass die
Heimspiele eines Teams aus einer ländlich geprägten Gemeinde mit knapp 7000
Einwohnern, das vor einigen Jahren noch im Unterhaus spielte und nach und nach
in den Abstiegskampf gesogen wird, keine Publikumsmagnete sind, sollte klar
sein; allerdings ist Grödig kein Ausreißer nach unten, vielmehr hat die gesamte
Liga seit einigen Jahren mit rückläufigen Besucherzahlen zu kämpfen.
Ein Vergleich mit der Spielzeit 2007/08, der absoluten
Rekordsaison bezüglich Zuschauerschnitt, zeigt, dass die durchschnittliche
Besucheranzahl in wenigen Jahren um etwa 2800 Zuseher abgenommen hat. Natürlich
könnte dies daran liegen, dass Teams mit geringerem Zuschauerpotenzial in die
Liga aufgestiegen sind und Vereine mit hohem Fanaufkommen sportlich verdrängt
haben. Ein Vergleich der vier Teams, die damals noch in der obersten
Spielklasse vertreten waren (Innsbruck, LASK, Austria Kärnten und Mattersburg)
mit den vieren, die an ihre Stelle getreten sind (Admira, Wiener Neustadt,
Wolfsberg und Grödig) zeigt tatsächlich massive Unterschiede. Die ersten vier
hatten 2007/08 zusammen einen Schnitt von knapp über 9000 Besuchern, während
die jetzigen vier Bundesligisten in der heurigen Saison lediglich auf einen
Schnitt von etwa 3400 Zuschauern kommen. Die Aufsteiger der vergangen Jahre
haben also den Gesamtschnitt der Bundesliga nachhaltig nach unten gedrückt.
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Einerseits ging
nicht nur der Zuschauerschnitt, sondern auch die Auslastung der Stadien nach
unten. Der Rückgang liegt also nicht nur daran, dass Vereine mit schlechterer
Infrastruktur, also kleineren Stadien, nach oben gekommen sind. Andererseits
zeigt ein Vergleich der anderen sechs Bundesligisten, also jener, die bereits
damals in der obersten Liga spielten und seitdem nicht abstiegen (Austria Wien,
Salzburg, Rapid, Sturm und Ried) beziehungsweise den Wiederaufstieg schafften (Altach),
ein Rückgang. Von diesen sechs haben nur die beiden Wiener Vereine in der
heurigen Saison einen höheren Zuschauerschnitt als vor sieben Jahren, die
anderen mussten teilweise massive Einbußen hinnehmen. Den größten Zuwachs
verzeichnet im Vergleich die Wiener Austria mit +7,43%, Rapid kommt auf 4,62%
mehr Zuseher. Den größten Einbruch hatte die SV Ried mit -32,4%, auch Sturm
(-23,12%) und Salzburg (-16,94%) verloren deutlich an Zusehern. Auch Altach
konnte trotz des Aufstiegs nicht mehr Zuschauer anlocken und verlor 8,8% im
Vergleich zu 2007/08.
Die Rekordsaison 2007/08 ist als Vergleichswert allerdings
natürlich verzerrend. Seit Einführung der Bundesliga war der Zuschauerschnitt
nur in dieser und in der unmittelbar folgenden Spielzeit höher als 9000
Besucher pro Spiel. Über 8000 lag er auch nur in zwei weiteren Saisonen
(1997/98 und 2006/07). Neben einer Kombination an vielen zuschauerstarken
Vereinen in der obersten Spielklasse dürfte das Auftreten signifikant höherer
Zuschauerzahlen um 2008 durchaus mit der in diesem Jahr stattfindenden
Europameisterschaft und einer dadurch ausgelösten Fußballeuphorie in
Zusammenhang stehen.
Wenn man den langjährigen Trend der
Zuschauerschnittentwicklung ansieht, wird auch klar, dass die Saison 2007/08
der Endpunkt eines Aufwärtstrends war, und die derzeitige vielleicht die
Talsohle des darauffolgenden mehrjährigen Einbruchs ist. Wie Graphik 1 zeigt,
verlief die Entwicklung der Besucherzahlen seit Schaffung der Bundesliga
zyklisch. Zwar gab es auch zwischen einzelnen Saisonen eklatante Unterschiede,
allerdings scheinen sich doch Aufwärts- und Abwärtstrends einigermaßen die
Waage zu halten. So folgte auf ein Tief 1977/78 ein erster Höhepunkt 1979/80,
mit etwa 6500 Zusehern im Schnitt. Danach kam allerdings eine Flaute, die
beinahe die gesamten Achtzigerjahre und länger andauerte und erst 1995 endete.
Bis zur Jahrtausendwende blieben die Zuschauerzahlen überdurchschnittlich,
bevor zu Beginn der Nullerjahre wiederum eine Flaute begann, wenn auch auf
höherem Niveau als zwanzig Jahre zuvor. Darauf folgte der bereits erwähnte
Aufschwung, der in der Rekordsaison gipfelte und von einem bis heute
andauerndem Abwärtstrend abgelöst wurde.
Der Gesamttrend dieses Zeitraums geht allerdings nach oben
und ist in Graphik 1 durch die blaue Linie dargestellt. Anhand dieser Linie
kann auch gezeigt werden, dass die Zahlen der letzten drei Saisonen unter den
Erwartungen liegen; die Saison 2011/12 war die erste seit 2004/05, die
unterhalb der blauen Linie liegt, also schwächer war als es der Trend vermuten
lassen würde. Diese negative Entwicklung setzte sich in den beiden folgenden
Saisonen noch fort.
Andererseits muss auch angemerkt werden, dass diese Saisonen
immer noch über dem langjährigen Durchschnitt liegen (die rote Linie in Graphik
1). Seit 1994/95 waren alle Saisonen über diesem Wert mit Ausnahme von 2002/03,
während vorher lediglich 1979/80 darüber lag. Mitte der Neunzigerjahre vollzog
sich also ein Wandel bezüglich der Zuseherzahlen, der bis heute nachwirkt.
Während davor Durchschnittswerte von unter 5000 Besuchern pro Spiel keine
Seltenheit waren, ist man seitdem nur in einer Saison unter 6000 gelandet. Es
ist also einigermaßen wahrscheinlich, dass die derzeitige Saison der Tiefpunkt
oder diesem zumindest sehr nahe ist. Da es durchaus möglich ist, dass der
heurige Absteiger durch einen Aufsteiger mit mehr Zuschauerandrang ersetzt
wird, könnte mit dem nächsten Jahr sogar wieder ein Aufwärtstrend starten.
Der langfristige Aufwärtstrend könnte natürlich in
Zusammenhang mit dem Wachstum der Gesamtbevölkerung stehen. Die Bevölkerung
wuchs von 1981 bis 2011 (aufgrund der früheren Praxis der Volkszählungen sind
keine Daten für einzelne Jahre vor 2001 verfügbar) um 11,21%, der
Zuschaueranstieg im selben Zeitraum betrug allerdings 27,84%, ist also mehr als
doppelt so hoch. Wirklich vergleichbar sind beide Kennzahlen allerdings nicht;
während die Bevölkerung relativ gleichmäßig zunimmt, gibt es bei den
Zuschauerzahlen recht starke Schwankungen, sowohl nach oben als auch nach
unten.
Graphik 2: Der Zuschauerschnitt in 49 europäischen Fußballligen in der Saison 2014/15. |
Im internationalen Vergleich von 49 erfassten nationalen
Ligen liegt die österreichische Bundesliga sogar im oberen Mittelfeld (Platz
19). Wie Graphik 2, in der Österreich mit einem etwas vergrößerten roten Punkt
dargestellt ist, zeigt, sind die größten Ligen Europas weit außer Reichweite
(Deutschland, England, Spanien, Italien, Frankreich und die Niederlande). Auch
Länder wie Belgien, die Schweiz und Portugal, die in Bezug auf die
Einwohnerzahl mit Österreich einigermaßen vergleichbar sind, haben einen
Zuschauerschnitt über 10.000, also mehr als die heimische Liga selbst in den
besten Jahren. Andererseits liegen Länder mit teilweise weit höherer Einwohnerzahl
wie Tschechien, Kasachstan, Rumänien, Griechenland und Ungarn in dieser
Statistik hinter Österreich.
Der österreichische Zuschauerschnitt liegt zwar ganz knapp
unter dem gesamten europäischen Durchschnittswert von etwa 6700 Zusehern,
dieser wird allerdings durch die sechs Länder mit dem höchsten Schnitt weit
nach oben getrieben. Wenn man die zwei Extremwerte an beiden Enden der
Stichprobe außer Acht lässt (also Deutschland, England, Lettland und Estland),
sinkt der Durchschnittswert bereits auf 5500, liegt also deutlich unter dem
heurigen Wert der österreichischen Liga und auf einem Niveau, auf dem sich
diese zuletzt Anfang der 1990er befand. Der Medianwert, der von Ausreißern weniger
stark beeinflusst wird, liegt sogar nur bei 2718 und damit weit unterhalb des
österreichischen Schnitts (in jeder der vierzig Saisonen). Anders ausgedrückt:
30 der 49 Länder liegen unterhalb von 5000 Zuschauern pro Spiel, ein Schnitt,
den die österreichische Bundesliga seit 1993/94 nicht mehr unterschritten hat.
Geht man davon aus, dass das Interesse an Fußball und damit
der Besuch von Fußballspielen über alle europäischen Länder gleichmäßig verteilt
ist, müsste der Zuschauerschnitt hoch mit der Einwohnerzahl eines Landes
korrelieren. Die Logik dahinter ist klar: Je mehr Leute in einem Land wohnen,
desto mehr Fußballinteressierte gibt es, die Partien der höchsten Liga
besuchen. Dass diese Annahme nicht ganz realistisch ist und der Zusammenhang
auf keinen Fall monokausal, zeigt alleine die Tatsache, dass es in einem
einzelnen Land wie Österreich zu hohen Schwankungen über die Zeit kommt.
Allerdings besteht der Zusammenhang tatsächlich, und er ist auch recht stark (r²=0,4) und
statistisch hoch signifikant (p<0.01). Je mehr Einwohner ein Land hat, desto
höher wird also tendenziell auch der Zuschauerschnitt in diesem Land sein; eine
Million Einwohner mehr erhöht den Schnitt dabei um etwa 200. Nach diesem Modell
sollte Österreich einen Zuschauerschnitt von knapp 4700 haben, schneidet also
weit besser ab, als es die Einwohnerzahl erwarten ließe. Diese Tatsache zeigt
auch Graphik 3, die den Zusammenhang zwischen Einwohnerzahl und Zuschauerschnitt
mittels eines Punktdiagramms darstellt. Österreich liegt dabei über der
Regressionslinie und innerhalb des Konfidenzintervalls. Seit nunmehr 20
Saisonen liegt der Schnitt über dem (für die derzeitige Einwohnerzahl
geschätzten) Erwartungswert.
Die Tatsache, dass viele der Beobachtungen weit entfernt von
der Regressionsgeraden und außerhalb der Konfidenzintervalls liegen, weist
darauf hin, dass das Modell noch verbessert werden kann. Sowohl die Ligen mit dem
höchsten Zuschauerschnitt (die Top Fünf) als auch Russland und die Türkei als
Ausreißer nach unten passen schlecht in das Modell. Das liegt allerdings
weniger an den Ausreißern per se, sondern an der Verteilung der Daten. Sowohl
die Einwohnerzahl pro Land als auch der Zuschauerschnitt sind nicht
normalverteilt, was eine zentrale Annahme sowohl bei Korrelations- als auch
Regressionsanalysen ist. Die Verteilung ist bei beiden vielmehr rechtsschief,
was sich im bereits erwähnten großen Unterschied zwischen Mittelwert und Median
äußert. Die Ergebnisse sind also verzerrt. Um dieses Problem zu umgehen, wird in
Graphik 4 der gleiche Zusammenhang dargestellt, diesmal wurden die Daten
allerdings logarithmiert (natürlicher Logarithmus).
Graphik 4: Der gleiche Zusammenhang wie in Graphik 3, nur sind beide Variablen logartihmiert. |
Dadurch entsteht ein viel besserer Zusammenhang, das r²
steigt von 0,4 in Graphik 3 auf 0,6, die statistische Signifikanz bleibt
logischerweise sehr hoch. Zwar ist das Ergebnis durch die Logarithmierung nicht
mehr ganz eins zu eins zu interpretieren, die österreichische Bundesliga ist
jedoch auch in diesem Modell unter den besseren Ligen. Das Modell
prognostiziert für Österreich ein Zuschauerschnitt von etwa 3400, also etwa nur
halb so viele wie aktuell und weniger als in der schlechtesten aller Saisonen
(1984/85).
Natürlich sollte man sich von diesen Daten nicht blenden
lassen. Zwar liegt die heimische Liga besser als zwei Drittel der europäischen
Ligen und hat auch mehr Zuschauer pro Spiel als die Bevölkerungszahl vermuten
ließe; andererseits sind diese Erwartungen auch mittels Daten errechnet worden,
die für Österreich katastrophal niedrig sind. 12 Länder haben weniger als 1000
Zuschauer pro Spiel, eine Zahl, die in österreichischen Einzelspielen
Negativrekorde kennzeichnet. Die Hälfte der Länder liegt unter einem Schnitt
von 2718, was immer noch weit niedriger als die schlechteste Saison der
heimischen Bundesliga ist. An diesen Ländern sollte man sich also was
Zuschauerzahlen angeht nicht orientieren. Andererseits gibt es Länder, die was
den Zuschauerschnitt angeht, weiter vor Österreich liegen, als es kleinere
Unterschiede bezüglich der Einwohnerzahl vermuten ließen. Dazu zählen
Schottland, Schweden, die Schweiz und Belgien. Was in diesen Ländern genau
besser gemacht wird als in Österreich, kann hier nicht beantwortet werden. Klar
wurde allerdings, dass die Zuschauerzahlen auch in einem einzelnen Land großen
Schwankungen unterworfen sein können, dass sie in Österreich zyklisch verlaufen
und deshalb der derzeitige Tiefpunkt nicht überraschend ist, dass diese Zyklen
unter anderem von den in der Liga vertretenen Teams abhängig sind und dass die
Einwohnerzahl zwar ein wichtiger Faktor bei der Höhe des Zuschauerschnitts
einer Liga ist, allerdings als alleinige Erklärung nicht ausreicht.
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